weidefunk geht #kuhkuscheln: Ein Landwirt und seine Herzensaufgabe, das Image von Kühen grundlegend zu ändern.

 „Weißt Du, was Kühe von Hamstern unterscheidet?“

„Die sind viel größer.“ 

Nein, Burkhard veräppelt uns nicht. Ihm ist nur eine Sache verflucht wichtig – und deswegen sind wir an diesem –nach Sarahs und meinem Dafürhalten – bitterkalten Novemberabend bei ihm: Kühe sind liebenswerte Wesen. Aber anders als „Kuscheltiere“ – wie Nagetiere (die übrigens in aller Regel nicht gerne gekuschelt werden), Hunde und Katzen – gelten Kühe als NUTZ-tiere. Mit denen Kuscheln…?

„Du spinnst ja!“ So lautet immer wieder ein Ausruf von landwirtschaftlichen Kollegen. Burkhard Sagel (auch bekannt unter „Bauer Bu„) will das Image von Kühen grundlegend ändern. Und genau das ist sein Weg: Er lässt Menschen mit ihnen kuscheln. 

Burkhard bei seinen Mädels! Ich durfte auch dazu (-:

Nähe zu den Tieren brachte die Wende

„3000 Schweine im Keller verstecken und draussen auf guten Bauern machen? Näh! Das bin ich nicht!“

Burkhard ist staatlich geprüfter Landwirt und ausgebildeter Kindertagesvater und Elternberater. In seiner Vergangenheit war er in der konventionellen Schweinezucht tätig. Seit knapp sechs Jahren aber ist alles anders. 

Damals, sagt er, war er zu faul, um die um seinen Hof liegenden Weiden zu mähen. Also hat er sich zwei Rinder gekauft. Die hat er weiden lassen, und dann irgendwann geschlachtet und selbst gegessen. Dann kamen immer mehr Freunde, die gefragt haben: „Hey, schlachtest du mal wieder? Können wir was abhaben?“ Die Freunde fragten nicht einfach so. Sondern sie sahen, wie Burkhard mit seinen Kühen umging. „Du behandelst die echt gut“, so lautete eines der häufigsten Komplimente. 

Der damalige Schweinebauer sprang in ein emotionales Spannungsfeld: Mit seinen Kühen auf der Weide ging er gut um; die Menschen wollten daraufhin Fleisch von diesen Tieren. Und seine Schweine? 3000 Stück lebten damals bei Burkhard in konventioneller Mast. Deren Fleisch wurde über konventionelle Wege vertrieben. 

Ihm selbst war ungut im Stall zumute: „Im Schweinestall hast Du keine Sonne. Da hing ich aber den ganzen Tag rum!“Erzählt Burkhard uns. „Abends bin ich dann raus, um mein alkoholfreies Weizen zu trinken. Und dann fing ich irgendwann an, zu den Rindern auf die Wiesen zu marschieren. Und ich streichelte sie.“

Der Bezug zu den Tieren wuchs. Und die Bereitschaft, weiterhin in der Schweinemast tätig zu sein, sank. 

Der Rinderbestand wurde aufgestockt:

Von 2 auf 4,
von 4 auf 8,
von 8 auf 12. 

Und dann: Alles oder nichts. Burkhard wurde mutig, setzte zunehmend auf Fleischverkauf. Sein erstes Produkt wurde ein Renner: Das „Männer-Single-Überlebenspaket“ mit bestem Rindfleisch aus Top-Haltung war teilweise schon 8 Monate im Voraus ausgebucht. Die Schweine schaffte Burkhard ab: „3000 Schweine im Keller verstecken und draussen auf guten Bauern machen? Näh! Das bin ich nicht!“

Sarah und ich nehmen noch zu einem Kälbchen Tuchfühlung auf, bevor die Gäste eintreffen

Cow Whisperer: Die Sprache der Kühe

„Ich rede wie ein Wasserfall! Aber ich kann auch die Schnauze halten. Und glaubemir, wenn ich die Schnauze halte, dann hör‘ ich verdammt gut zu“

Vom Fleischverkauf allein können Burkhard und seine Familie nicht leben. Seine Frau arbeitet Vollzeit, und Burkhard lebt erfinderisch. Kuhkuscheln gehört defintiv zu seinen einfallsreichsten Ideen. 

Doch Kuhkuscheln ist keine Einkommensquelle, eher ein Zubrot. Kuhkuscheln betreibt Burkhard, da er für die Kühe aktiv werden will. In seiner Zeit, als er dem dunklen Schweinestall durch den Gang auf die Rinderweiden entflohen ist, hat er beobachtet, viel beobachtet. „Ich rede wie ein Wasserfall! Aber ich kann auch die Schnauze halten. Und glaube mir, wenn ich die Schnauze halte, dann hör‘ ich verdammt gut zu.“ Damals hörte er den Kühen zu. 

Das klingt erstmal nach einer zu großen Portion Einbildungskraft: „Kühen zuhören? Was sagen die denn?“Doch dahinter versteckt sich etwas, was es im Pferdebereich unter „Horsemenship“ zu immer größerer Bekanntheit schaffte. Pferden spricht man heute – zum Glück – eine eigene Sprache und Emotionen zu. Menschen, die mit Pferden „sprechen“, werden Horsemen oder auch Horse Whisperer genannt. 

Hinter dem Flüstern mit den Tieren steckt nichts anderes, als das Sprachsystem eines Tieres so gut beobachtet zu haben, dass man mit diesem wie auf einer Wellenlänge kommunizieren kann. Burkhard beherrscht die Sprache der Kühe. Und möchte Menschen zu diesem Gespräch einladen. 

Die Gäste kommen zum #Kuhkuscheln

„750 kg wollen kräftig gekrault werden! Tust Du das nicht, schubsen sie dich“

Seine knapp 30 wunderhübschen Kühe und Kälber warten im großen Laufstall auf die Gäste. 10 Menschen versammeln sich heute um Burkhard. Die Kühe schauen neugierig. Doch noch neugieriger schauen die Menschen auf die Kühe! 

„Ich gebe Euch jetzt mal eine Einführung, und dann könnt Ihr tun und lassen, was ihr wollt bis morgen früh!“witzelt der Landwirt. Burkhard liebt es, seine Gäste einzubinden: „Tut auch nur ganz selten weh!“ muntert er auf und führt die bunte Truppe – gerne auch mal unter körperlichem Einsatz der selbigen – in das Einmalseins der Kuhsprache ein: 

„Kühe sind von der Grundsubstanz freundlich und ruhig, aber nicht ungefährlich.“ Er erklärt, wie sich die Kuhinteressierten sich gleich zwischen den Kühen bewegen sollen, was sie tun, und was sie besser nicht tun sollten. Und: „750 kg wollen kräftig gekrault werden! Die schubst Dich, wenn du die nicht anständig kraulst!“ warnt Burkhard eine zierliche Dame vor. 

Burkhard hat mit seinem #Kuhkuscheln bereits eine Fanbase (u.a. bei Facebook) aufbauen können. Manche kommen nur einmal. Andere hingegen haben sogar bereits eine Jahreskarte bei ihm.

Es ist nicht einfach nur „ein“ Tier!

Weiß, wo’s Kraulen am Schönsten ist!

Was mir an Burkhard auffällt: wenn er spricht, sieht er nie pauschal „die Kuh“, „den Ochsen“, „das Kalb“. Sondern der Landwirt betrachtet das individuelle Tier, mit seinen Eigenheiten, Besonderheiten und Liebenswürdigkeiten. 

Jeder kennt solche Aussprüche beim Anblick eines großen Ochsen: „Boah, der kann bestimmt voll aggressiv werden!“ Burkhard nimmt Dich dann schnell mit auf einen anderen Weg und weist auf die sonst sopauschalisierte Gefahr eines Ochsen folgendermaßen hin: 

„Der Ochse ist total lieb. Er hat nur ein Problem: Der tobt so gerne! Und er leckt wie blöd‘ Deine Hände, der wurde mit der Flasche aufgezogen, weißt Du. Aber er ist lieb! Pass auf, wenn Du Dich ihm näherst, achte darauf, dass Du …. “

Bei Burkhard gibt es eben nicht „den aggressiven Ochsen“, und schon gar nicht „die blöde Kuh“. Es ist diese Individualisierung der Tiere, die Burkhard in Interaktion mit den Kühen so besonders macht und die die Gäste regelrecht abholt. Wir dürfen das erleben, als wir mit ihnen sprechen. 

Die junge Emma: berührt, erschrocken, reflektiert.

„Es muss sich jeder an die eigene Nase fassen! Im Kleinen können wir alle ganz viel ändern!“

„Ich bin auf jeden Fall, froh in der Nähe von Kühen sein zu dürfen!“ so die Antwort der 17-jährigen Emma, die mit Vater und jüngerer Schwester zum Kuhkuscheln gekommen ist. Mir fiel das junge Mädchen als eine der ersten auf, da sie komplett auf die Tiere konzentriert war. „Kühe sind so schön groß und die haben das Vertraute im Blick!“ Emma genießt das Kuscheln mit allen Sinnen! 

Emma geht voll auf im Streicheln der Tiere

Doch ich sehe ihren Blick. Und auf meine Frage, was sie derzeit bewegt, antwortet sie: „Ich bin Vegetarierin, und ich war eben total erschrocken als ich erfuhr, dass diese Tiere hier auch gegessen werden!“ 

Mir tut Emma in diesem Moment sehr leid. Und ich möchte sie irgendwie trösten. Und ich stehe voll hinter meinen Worten, als ich zu ihr sage: „Aber, weißt Du, sie haben hier doch echt ein schönes Leben!“ Emma ist super reflektiert. Und stimmt dem zu. Wir sprechen noch ein wenig darüber, was sie sich wünscht, was sich realistisch ändern könnte. „Vor allem, dass die Massentierhaltung sich ändert. Und die Menschen viel mehr zu kleineren Betrieben fahren, wie dem hier. Die Tiere brauchen doch mehr Platz; da muss sich jeder an die eigene Nase packen, ob die Wurst jeden Tag auf den Tisch muss. In kleinem Maße kann doch jeder ganz viel verändern!“ 

Vater Matthias: Solche Lehrer brauchen wir!

„Die Schule muss mehr in die Pflicht genommen werden!“

Neben Emma stehen ihr Vater Matthias (54) und ihre kleine Schwester Paula (6). „Die Kühe schubsen so doll!“ ist die Kleine überrascht. Mit ihren winzigen Händen wird es ihr auch schwer fallen, kräftig zu kraulen! 

Paula: Füttern klappt ganz prima!

Paula und Matthias sind keine Vegetarier, aber sie achten sehr auf die Herkunft: „Meine Nichte ist Veganerin, und hat meine Tochter Emma auch mitgezogen. Und über den Weg lernt man selbst eben auch dazu.“ Doch Matthias weiss: „Das Problem ist, dass alle Leute immer nur billig kaufen wollen. Fleisch ist ja auch überall drin, das ist ja fast wie mit Weizen und mit Zucker!“ 

Der Vater von Emma, Matthias, ist von den Kühen ebenso angetan.

Warum seine Kinder so reflektiert seien, frage ich ihn. „Du, das kommt daher, dass wir miteinander reden!“ Lacht er. Matthias ist davon überzeugt, dass die Schule hier mehr in die Pflicht genommen werden sollten: „Hier ist ein Platz, wo das Tierwohl echt behandelt werden sollte!“

Matthias ist selbst Lehrer, klärt auf, geht die Ernährungspyramide mit den Kindern durch,  auch mit behinderten Kinder arbeitet er hier viel. Ihm liegt es sehr am Herzen, bereits in jungen Jahren für eine tiergerechtere Landwirtschaft zu sensibilisieren. Mit Blick auf meine alte Lehrerschaft: Genau solchen Lehrern höre ich übrigens mehr als gerne zu!

Freundinnen Lisa & Annika: „Auf die Herkunft unseres Essens achten ist normal!“

„Zieh dir was an, was dreckig werden kann!“ So leitete Lisa ihre Überraschung für Annika ein. Die beiden Freundinnen haben sichtlich Freude an den Tieren. 

Mich interessiert, wie die beiden jungen Frauen sich ernähren.  Lisa lebt seit fast 10 Jahre vegetarisch, die letzten Jahre sogar vegan. Annika wurde vegan erzogen, isst aber mittlerweile wieder Fleisch., Dabei auf die Herkunft von Fleisch, Eiern, Milch & Co. zu achten, ist für sie normal. 

Wie reflektiert die beiden Frauen sind, erlebe ich am nächsten Morgen an meinem Schreibtisch: Lisa schreibt mir am nächsten Morgen, und sie erlaubte mir, dass ich diesen schönen Sazt von ihr im Beitrag mit veröffentliche: 

„Annika und mir hat der Abend wirklich gut gefallen, und wir können nur weiter „Werbung“ dafür machen. Im Vorfeld habe ich einigen von der Überraschung erzählt und die Reaktion darauf war oft: „Die Kühe sind nur zum Kuscheln da?“Auf die Erklärung, dass die Kühe in erster Linie trotzdem zur Zucht und zum Verzehr da sind, waren viele erstmal etwas geschockt.

Das die Haltung und Schlachtung bei Familie Sagel für die Tiere kein Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft ist, im positiven Sinne, sehen viele auf den ersten Blick gar nicht.

Den Menschen muss wieder mehr gezeigt werden, was der Burgerpatty, die Dino-Nuggets, und das Schnitzel vor der Verarbeitung war, sie müssen aber auch den eigenen Willen haben hinzusehen.

Viele Grüße,

Lisa.

Wie recht sie hat. Vielen Dank dafür, Lisa! 

#Kuhkuscheln: Ein guter Weg, Menschen zu berühren

Der Abend hatte viele Facetten. Auch traurige, denn ich sah, wie Menschen in einen Zwiespalt gerieten: sie wurden traurig, da hier ihr Essen stand, sie beäugten neugierig die Menschen, ließen sich kraulen, genossen die Nähe. So viele Emotionen…. Die viele Menschen ihnen absprechen. Doch erlebst du es selbst, wirst du anders denken. 

Und genau damit bewirkt Burkhard das, was notwendig ist: Menschen müssen berührt werden, indem sie berühren: Kühe, Schweine, Hühner. Ich habe es häufig erlebt, dass Menschen in der Gegenwart von Tieren „anders“ werden, offener. Daher schätze ich Burkhards Weg.

Leben können er und seine Familie von dieser Idee nicht. Aber seine Kühe, die können besser davon leben. Wir wünschen Dir, Burkhard, dass noch viele Menschen Dein Angebot wahrnehmen werden. Sie werden mehr mitnehmen, als sie heute vielleicht noch denken.

Angelika will gar nicht mehr loslassen….

Burkhard & Sonderangebote: Legt voll los!

Was ich damit meine? Das schaut Ihr Euch mal direkt auf Facebook oder Instagram an! 

Du willst Burkhard und seine Kühe kennenlernen? Mach einen Termin:

Burkhard Sagel
Am Dahlberg 8
46244 Bottrop
T.: 0177 6409040
E.: newsletter@tierfreundliche-landwirtschaft.de
U.: www.bauernhof-sagel.de
Die nächsten freien Termine!

Du möchtest bei Burkhard Sagel Fleisch bestellen? 

Nur frisch auf Bestellung: per Mail (fleisch@rindvombauer.de) oder unter 0177 / 6409040

Und das macht Burkhard auch noch:

Initiative Tiergerechte Landwirtschaft

Du möchtest keine Geschichte mehr verpassen? Dann schreib Dich in unsere Weidenews ein!

    Wir halten Deine Daten absolut geheim und verwenden sie ausschließlich dazu, Dich mit neuen Weidenews zu beglücken. So geben wir die Daten nur an Dritte weiter, die diesen Service eben ermöglichen. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung.

    Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

    Kommentieren Sie den Artikel

    Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
    Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein