Bio. Bio. Bio-Siegel. Was hinter dem Bio-Standard steckt.

Wohlbekannt: Das europäische Bio-Siegel 

© BMEL offizielles EU Bio-Siegel
© BMEL offizielles EU Bio-Siegel

Das EU-Bio-Siegel ist das wohl bekannteste Standardsiegel für Bio-Produkte. 2010 eingeführt, kennzeichnet es Erzeugnisse und Produkte, die aus ökologischer Landwirtschaft stammen und deren Erzeuger bzw. Verarbeiter die Kriterien für ökologischen Landbau einhalten, so wie sie das EU-Recht definiert. Die Kriterien in aller gegebenen Kürze: 

  • Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel (Positivliste)
  • Höchstzulässige Anzahl von Tieren pro Hektar
  • Artgerechte Haltungsformen
  • biologische Futtermittel sowie Verbot von präventiver Antibiotika-Gabe
  • Verbot von Gentechnik
  • Verarbeitung: nur 53 Zusatzstoffe zugelassen (konventionelle Produkte in der EU: 316)

Die gesamte EG Öko Basisverordnung findest Du hier zum Download: 

Das europaweit standardisierte Biosiegel und damit Bezeichnungen wie Begriffe „bio“, „öko“ oder „aus kontrolliert biologischem Anbau“ dürfen nur Produkte und Erzeugnisse tragen, wenn sie nachweisen können: 

  • Dass mind. 95 % der Inhaltsstoffe eines Produkts aus Ökolandwirtschaft kommen 
  • Und höchstens 0,9 % gentechnisch verändertes Material enthalten sind. 

Eingestampft: Das deutsche Bio-Siegel

© Deutsches Bio-Siegel
© Deutsches Bio-Siegel

2001 wurde das deutsche Bio Siegel eingeführt, das mittlerweile von dem EU Bio Siegel abgelöst wurde. Auf manchen Produkten ist es aber noch aufgedruckt, es besitzt in diesem Sinne aber keine offizielle Gültigkeit und Aussagekraft mehr. 

Kritikpunkte am EU Bio Siegel: Schwerpunkt Tierhaltung

Bio ist nicht gleich Voll-Bio: Bauern, die nach den EU-Bio-Richtlinien wirtschaften, müssen ihren Betrieb nicht zu 100% ökologisch bewirtschaften. Dies ruft nach Meinung der Kritiker u.a. die Gefahr von Kontaminationen der ökologischen Erzeugnisse (z.B. durch Pestizide) auf den Plan. Zudem widerspräche es streng genommen dem Grundgedanken einer umweltbewussten Landwirtschaft. 

Besonders aber beim Thema Tierhaltung rührt das EU Bio Siegel die Gemüter. Denn dazu sagt die Verordnung wenig. Schauen wir uns ein paar Details an. 

EU-Bio-Siegel: Beim Thema „artgerechte Tierhaltung“ unverbindlicher als die Bio-Verbände

„Die Tierhaltung ist von fundamentaler Bedeutung für die Organisation der landwirtschaftlichen Erzeugung in einem ökologisch/biologisch wirtschaftenden Betrieb, insofern als sie das notwendige organische Material und die Nährstoffe für die Anbauflächen liefert und folglich zur Bodenverbesserung und damit zur Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt (…) Da die ökologische/biologische Tierhaltung eine an das Land gebundene Wirtschaftstätigkeit darstellt, sollten die Tiere so oft als möglich Zugang zu Auslauf im Freien oder zu Weideflächen haben. (…) Die ökologische/biologische Tierhaltung sollte hohe Tierschutzstandards achten sowie den tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnissen genügen, und die Gesunderhaltung des Tierbestands sollte auf der Krankheitsvorbeugung basieren“ So steht es in der EG-Öko-Verordnung Nr. 834/2007 auf Seite 6. 

In der konkreten Umsetzung einer artgerechten Tierhaltung ist es daher wünschenswert, dass sich private Bio-Verbände mit Ihren Siegeln (Naturland, Bioland, Demeter & Co.) auf den Markt begeben haben. Diese verlangen eine 100%ige Umstellung eines Betriebs auf Öko und definieren teils konkretere Bedingungen für die Tierhaltung aus als es die EU gemacht hat. Schauen wir uns dies in wichtigen Punkten an: 

Milchkuh- & Kälberhaltung

  • Einer Milchkuh kommt laut EU Bio-Standard mindestens 6 qm Stallfläche plus mind. 4,5 qm Außenfläche zu. Weidegang oder Auslauf ist vorgeschrieben. Dies entspricht auch den Vorgaben der Bio-Verbänden.
  • Genau wie die Bio-Verbände auch, besagt die staatliche Bio-Verordnung bzgl. der Anbindehaltung, dass diese nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Diese Ausnahmen beziehen sich z. B. auf besonders kleine Betriebe, in denen die Anbindehaltung erlaubt ist, wenn die Tiere während der Weidezeit dann Zugang zu Weideland haben.
  • Die EU-Bio-Verordnung sieht die Enthornung von Rindern nicht routinemäßig vor, sie kann jedoch genehmigt werden. So sieht es auch bei den Bio-Verbänden aus. Einzig bei Demeter ist die Enthornung der Tiere absolut ausgeschlossen.
  • Kälber werden nach allen Vorgaben – Öko Verordnung wie Bio-Verbände – kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt. Die Vorschriften des EU-Bio-Siegels verbieten immerhin die Haltung von Kälbern in Einzelboxen nach der ersten Lebenswoche. Der Vorgabe folgen auch die Bio-Verbände. 

Geflügel-Haltung 

  • Das Bio-Siegel der EU erlaubt die Haltung von 6 Legehennen bzw. 10 Masthühnern pro qm Stallfläche. Dabei muss ein Zugang zum Freiland vorhanden sein. Jedem Tier müssen darin 4 qm zur Verfügung stehen.
  • Ein Nest müssen sich in EU-zertifizierten Betrieben 7 Legehennen teilen.
  • Mind. ein Drittel der Stallfläche muss eingestreute „Scharrfläche“ sein.
  • Maximal 3000 Legehennen dürfen laut EU-Verordnung in einem zusammenhängenden Stall leben.
  • Eingriffe wie das in konventionellen Ställen verbreitete Kürzen der Schnäbel sind auf Öko-Höfen nicht systematisch zulässig, können aber – wie leider häufig – in so genannten Ausnahmefällen genehmigt werden. Neuland, Naturland, Bioland und Demeter schließen das Schnabelkürzen bei Hühnern aus.

Schweinenhaltung

  • Mastschweine sollen laut EU-Verordnung „Auslauf“ und Bewegungsfläche zum Wühlen erhalten. Die Bio-Verbände gehen in diesem Punkt nicht darüber hinaus. Eine Verpflichtung zum Weidegang existiert nicht.
  • Ein Mastschwein unter 50 kg erhält in allen Bio-Betrieben mindestens 0,8 qm Stallfläche plus 0,6 qm Außenfläche. Wird das Tier schwerer – was in der Mast ja Ziel ist – steigert sich die Fläche leicht: Schweine mit 110 kg Gewicht (durchschnittliches Gewicht bei der Schlachtung) erhalten 1,5 qm Stallfläche und 1,2 qm Außenfläche zur Verfügung.
  • Das in der konventionellen Tierhaltung durchgeführte Kupieren der Schwänze, Abkneifen der Zähne und Einziehen von Nasenringen kann in EU-zertifizierten Betrieben wieder ausnahmefallmäßig genehmigt werden, ist aber nicht routinemäßig vorgesehen. Bei Neuland, Naturland, Bioland und Demeter sind diese Maßnahmen nicht zulässig.
  • Bei allen Bio-zertifizierten Höfen ist die Kastrationen der Ferkel sind jeweils nur mit Betäubung und Schmerzbehandlung erlaubt.

Transport und Schlachtung

  • Die EU-Bio-Verordnung untersagt für den Transport den Einsatz von Elektroschockern und allopathischen Arzneimitteln. Der Vorgabe folgen auch die Bio-Verbände und NEULAND. 
  • Allerdings dürfen die Tiere auf Basis des EU-Biosiegels durch halb Europa gefahren werden dürfen. Nach den Vorgaben von Naturland, Bioland und Neuland dürfen die Tiere maximal vier Stunden bzw. 200 km weit transportiert werden. Nach Demeter sollen die Transportwege „so kurz wie möglich“ sein.

EU Bio-Siegel: Besser als konventionell

Das liest sich alles nicht wirklich nach gelebtem Tierwohl. Ein Beispiel: Klar, Schweinen zwischen 50 und 110 kg Körpergewicht stehen in der konventionellen Haltung laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung lediglich 0,75 qm Stallfläche zu, den Tieren über 110 kg 1 qm. Hier geht’s zum Download der gesetzlichen Mindestanforderungen zur Haltung von Nutztieren:

Und ein Bio-Schwein darf sich nun ganze 0,05 bzw. 0,5 qm mehr bewegen. Fast eine Farce. Und dennoch: Man muss ehrlicherweise sagen, dass alle Entwicklungen in der industrialisierten Landwirtschaft unfassbar schwierig voranzutreiben und langwierig sind. Dass sich hier der Fokus wenigstens immer auf den Auslauf bzw. den Weidegang (bei Rindern) konzentriert, ist schlicht wünschenswert. Wenn auch noch zu wenig.

Anhand dieses kleinen Einblicks wird ja übrigens auch deutlich, dass die Bio-Verbände sich im Großen und Ganzen der EU-Bio-Verordnung anpassen. Und dennoch gehen sie in wichtigen Punkten eben bewusst darüber hinaus. Insbesondere in Aspekten wie bspw. der halbierten Anzahl von Legehennen oder Masthühner pro Hektar oder auch konkretisierte Kürzung der Fahrtlänge zum Schlachthof sind die Bio-Verbände fortschrittlicher.

Insofern ist eine Grenzerweiterung der Richtlinien der großen Bio-Anbauverbände sowie von NEULAND wünschenswert. Sie vollziehen den Akzent auf die Tierhaltung, was in der allgemeinen Öko-Verordnung derzeit noch vermisst wird. 

Fazit: BIO besser als konventionell, aber gerne mal häufiger auch auf Bioland, Naturland, NEULAND & Co. schauen

Wenn Du einkaufst, sollte das EU-Bio-Siegel die bevorzugte Wahl vor konventionell hergestellten Lebensmittels – insbesondere tierischer Erzeugnisse –  sein. Bio stellt Mindestanforderungen und winkt zumindest in die richtige Richtung. Wer aber diese Entwicklung mehr unterstützen will, sollte darüber hinaus auf die Akteure bzw. Verbände achten, die mit teils spezifischeren Vorgaben dem Tierwohl widmen. 

Hier geht es zu den detaillierten Übersichten der drei größten Bio-Verbände sowie NEULAND: 

© Naturland

Das Wichtigste zu:

© Bioland

Das Wichtigste zu:

© Demeter

Das Wichtigste zu:

© Biokreis

Das Wichtigste zu:

© Neuland

Das Wichtigste zu:

Verwandte Quellen

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein