Muttergebundene Kälberaufzucht (Teil II): Neue Wege finden! Wie Kuh und Kalb beieinander bleiben dürfen.

Muttergebundene Kälberaufzucht: Der Weg in eine tiergerechtere Haltung von Mutterkuh und Kalb

Mutter und Kind wachsen miteinander auf. Was für viele selbstverständlich klingt, ist in der industriellen Landwirtschaft keineswegs Gang und Gäbe. In unserem ersten Teil ging es vor allem um die negativen gesundheitlichen Auswirkungen der Kälberaufzucht ohne Muttertiere auf die Kälber und inwiefern in einem auf hohe Melkleistung ausgerichteten System die Anwesenheit der Kälber stört. Hier zeichnet v.a. unser Milchkonsum dafür verantwortlich, dass der Großteil aller Kälber nicht bei ihren Müttern aufwachsen dürfen.

Als Gegenstück zur Kälberaufzucht ohne Muttertiere steht nun hier im weidefunk die muttergebundene Kälberaufzucht im Fokus. Die muttergebundene Aufzucht ist wesentlich für eine artgerechte Tierhaltung und erfüllt gleichfalls die Forderung nach einem natürlicheren Produktionssystem für Milch.

Neue Ställe für eine artgerechte Tierhaltung: Herdentiere gehören zusammen

Ein Stier braucht einen anderen Stall als ein Kalb, allein der Größe wegen. In der modernen Viehzucht ist die getrennte Haltung von Tieren Normalität. Auch bei der muttergebundenen Kälberaufzucht werden die Tiere nicht 100 Prozent der Zeit in einem großen Multifunktions- beziehungsweise Mehrfamilienstall gehalten. Grundlegend für die muttergebundene Kälberaufzucht ist ein Platz, wo sich Mütter und Kälber treffen können. Auch wichtig sind Bauelemente wie der Kälberschlupf, wo die Kälber für sich sind und der ihnen als Rückzugsort dient. Erst vier Monate nach der Geburt werden die Kälber nach Geschlecht und Alter in verschiedene Gruppen mit den älteren Tieren aufgeteilt. Auch wenn schlussendlich die Trennung der Tiere erfolgt, wurde den Tieren wenigstens die frühe Entwicklungsphase in Gemeinschaft zugestanden. Ein deutliches mehr an Zeit, im Vergleich zu einer gemeinsamen Nacht im Stall bei der konventionellen Haltung.

Kräftigere Jungtiere und besseres Sozialverhalten dank muttergebundener Kälberaufzucht

Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht werden die Kälber nicht direkt von ihren Müttern getrennt. Über mehrere Monate haben sie Kontakt zu den Mutterkuh oder zu Ammenkühen, die mehrere Kälber versorgen. 100 bis 120 Tage bleiben die Kälber bei Ammen. Dann haben sich ihre Mägen ausgebildet und sie benötigen in Ihrer Diät keine Milch mehr. Wird in den Betrieben auf Ammenkühe verzichtet, sind Kalb und Kuh in den ersten drei Lebenswochen die ganze Zeit zusammen.

Die Tiere profitieren in vielerlei Hinsicht von dieser Methode: Zum einen wachsen Kälber, die Muttergebunden aufwachsen dürfen, kräftiger als solche, die nach der Geburt von ihren Müttern getrennt worden sind. Ebenfalls gesicherte Erkenntnis ist die positive Beeinflussung des Sozialverhaltens der Tiere. Die Kälber zeigen geringer ausgeprägte Verhaltensstörungen als konventionell aufgezogene Tiere. Sie orientieren sich früh an den älteren Tieren, Kälber schauen sich zum Beispiel den Verzehr von Raufutter bei ihren Artgenossen ab. Das ballaststoffhaltige Raufutter (damit wird Gras, Heu, Mais oder Stroh bezeichnet) ist wichtig für die kontinuierliche Beschäftigung des Magen-Darm-Trakts der Kühe und führt zur gewünschten Gewichtszunahme.

Für Kalb und Kuh eine Wohltat: Milch aus dem Euter statt der Tränke

Durch die noch dominierende Fütterung der Kälber mithilfe einer Tränke treten regelmäßig Durchfallerkrankungen bei den Jungtieren auf. Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht sind solche typisch haltungsbedingten Krankheiten seltener. Die Kälber saugen sooft und wann sie wollen, die Temperatur der Milch ist richtig und Verunreinigungen in den Tränken von Grund auf ausgeschlossen.

Vom direkten Säugen der Kälber profitieren übrigens gesundheitlich auch die Mütter. Die Gebärmutterrückbildung läuft normal ab und die zyklischeAktivität wird neu aufgenommen. Dementsprechend leiden Kühe in der muttergebundenen Kälberaufzucht weniger an Fruchtbarkeitsstörungen.

Hohe Ansprüche an Landwirte:innen und gleichzeitig eine bessere Mensch-Tier-Bindung

Auch die Landwirte:innen profitieren von der muttergebundenen Kälberaufzucht, da die Arbeit sich verändert und mehr Zeit für eine intensive Mensch-Tier-Bindung bleibt. So fallen etwa Tätigkeiten wie das Füttern der Kälber weg und werden zum Teil ersetzt durch das Zusammenführen der Tiere. Vor dem Melken der Kühe kommen die Kälber zum Beispiel zum Rest der Herde. Eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Kälber muss auch eingeplant werden. Geeichte Tränken wie sie in der Kälberaufzucht ohne Muttertiere geläufig sind, geben nunmal schneller Aufschluss über den jeweiligen Milchkonsum der Jungtiere. Ohne dieses Hilfsmittel bleibt den Landwirten:innen ihr Auge und Gespür für die Einschätzung, ob die Kälber bereits genug tranken.

Diese Möglichkeiten, aktiv die muttergebundene Kälberaufzucht zu fördern, hast Du schon heute

Um einen wirtschaftlich erfolgreichen Milchbetrieb samt muttergebundener Kälberaufzucht zu führen, brauchen solche Höfe einen höheren Milchpreis. Der benötigte Aufschlag liegt bei knapp 30 Cent.

Es liegt an uns Verbraucher:innen, die Leistungen dieser Landwirte:innen für ihr Engagement in Sachen artgerechte Tierhaltung zu honorieren!

Und klar, aktuell ist die muttergebundene Kälberaufzucht noch wenig verbreitet. Höfe, die diese Haltungsform praktizieren, findet ihr beispielsweise hier. Und im Abschließenden und dritten Teil der Reihe stellt der Weidefunk daher zwei Projekte im Milchbereich vor, bei denen Kuh und Kalb gemeinsam weiden. Den

Du möchtest noch mehr über die muttergebundene Kälberaufzucht erfahren? Hier findest du weitere Informationen:

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