Friedlich
Da steht das Rind inmitten seiner Herde. Es grast ruhig, genießt die Gesellschaft seiner vertrauten Kumpels. Und dann „Bumm!“ – ist es tot.
Abschuss. Direkt auf der Weide. Inmitten seiner Herde stirbt es. Wie brutal klingt das denn bitte?
Tja, was für das eine oder andere Ohr brutal klingen mag, ist in der Realität eine der tierfreundlichsten Methoden, ein Tierleben zu beenden. Das dürfte jeder bestätigen, der auch nur einmal in der Nähe eines durchschnittlichen Schlachthofs gewesen ist. Oder auf der Autobahn an einem Tiertransporter so langsam vorbeigefahren ist, dass die intensiven Blicke der Tiere klar spürbar waren.
Der kaum bekannte Weideschuss
Der Weideschuss ist eine der besten Alternativen zu Transport und Schlachthof: Gerade weil diese Tötungsmethode inmitten einer vertrauten Umgebung stattfindet. Ohne Stress, Angst, Panik.
Da mag man sich fragen: Warum hört der Verbraucher so selten etwas vom Weideschuss? Geschweige denn, dass auf einer Produktverpackung zu lesen wäre: „Mit Weideschuss!“ Nein, der Weideschuss ist den wenigsten Menschen überhaupt ein Begriff.
Und ausgerechnet eine junge Schülerin möchte dies ändern: Lisa. Sie wünscht sich ehrliche Aufmerksamkeit für das Thema „Weideschuss“ und eine sinnvolle Aufklärung. Dazu macht sie nun den Anfang mit einer Seminararbeit an ihrer Schule.
Lisa
„Ich selber habe ein Kalb mit der Flasche aufgezogen, dieses Rind läuft mir inzwischen immer noch auf der Weide nach. Durch diese Erfahrung wurde mir das Tierwohl noch bedeutend wichtiger. Und ich will aktiv etwas verändern und beeinflussen.“
Lisa ist 17 Jahre jung und lebt auf dem Hofgut Stefansreute in Königseggwald / Oberschwaben. Ihre Eltern verwalten das schöne Anwesen, das dem Grafen zu Königsegg-Aulendorf gehört und züchten dort Galloway- Mutterkühe. Lisa durfte also zusammen mit ihren drei Geschwistern sehr tier- und naturverbunden aufwachsen.
Sinnvolle Lehre
Aktuell besucht Lisa die 11. Klasse des Gymnasiums St. Johann in Blönried. Hier arbeitet auch Reinhold Prokscha. Der Lehrer betreut die junge Frau bei ihrer Seminararbeit. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich im Unterricht von Herrn Prokscha gezielt mit der Veränderung des Landschaftshaushalts durch agrarische Nutzung sowie mit dem Strukturwandel der Landwirtschaft und den Veränderungen im ländlichen Raum insgesamt beschäftigen:
„Dabei erkennen wir, dass wir als Verbraucher mit dem eigenen Konsumverhalten auch die landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen beeinflussen: von der industriellen konventionellen Landwirtschaft mit Massentierhaltung und Monokulturen bis hin zu regionalen, alternativen und nachhaltig wirtschaftenden Höfen.“
So Herr Prokscha zum Lernziel. Und Lisa hat das Potenzial, solche Themen sowohl mit viel Fachverstand, vor allem aber auch mit einer großen Portion Herzblut zu bearbeiten:
„Lisa Geser hat sich dem Thema „Weideschuss“ mit viel Herzblut gewidmet. Die intrinsisch motivierte Schülerin arbeitet mit Impetus, Freude und Engagement seit Herbst 2019 an ihrer Seminararbeit, die mittlerweile kurz vor dem Abschluss steht. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein!“
So Reinhold Prokscha über seine Schülerin.
Mittendrin
Wie sehr Lisa für genau das Thema „geeignet“ ist, wird zudem deutlich, wenn man sich ihre tägliche Arbeit anschaut: Neben der Schule hilft sie auf dem Hof, wann es nur geht. Zu ihren täglichen Aufgaben gehört die Versorgung der Rinder sowie das Herdenmanagement auf dem Betrieb mit ca. 100 Tieren. Nebenbei bewirtschaftet die Familie noch 150ha Ackerland und 30ha Grünland.
Schlachtung
Natürlich kennt Lisa jedes Tier beim Namen. Umso emotionaler muss es für die junge Frau sein, dass sie regelmäßig beim Prozess des Schlachtens dabei ist: Beginnend mit dem Separieren der Tiere innerhalb der Herde und ihrem Transport. Und dann auf dem Schlachthof selbst sieht Lisa, was mit einem Tier, das zufrieden und in artgerechter Haltung gelebt hat, nun in Angst auf dem Schlachthof sein Ende erfährt.
Nachdem Lisa diese Erfahrung über Jahre gesammelt hat, kam ihr die Idee, sich mit dem Thema des Weideschusses und der Weideschlachtung zu beschäftigen. Von Grund auf.
„Meiner Meinung nach hat jedes Tier ein schönes, möglichst stress-, schmerz- und angstfreies Lebensende verdient. Ich glaube, dass der Weideschuss dafür eine ehrlich gute Voraussetzung ist.“
Herzenssache
Lisa schreibt ihre Seminararbeit über den Weideschuss aus der absoluten Überzeugung, dass diese Methode in der Zukunft eine Chance braucht. Und sie verbindet mit dieser wissenschaftlichen Arbeit nicht nur den Willen, mehr über die exakte Methodik zu lernen. Sondern:
„Durch meine Seminararbeit sehe ich eine Chance, eine aufklärende Arbeit über den Weideschuss zu schreiben, über Mythen aufzuklären und vor allem VerbraucherInnen zu sensibilisieren.“
Auf dem Hofgut Stefansreute ist der Weideschuss nicht genehmigt. Das will Lisa ändern. Mit ihrer Arbeit geht also die leise Hoffnung einher, dass die Behörden aufmerksam werden und den Tierschutz überwiegen lassen, so dass die behördliche Genehmigung in mehr Betrieben möglich wird.
Warum das Thema wirklich wichtig ist
Ein Ziel können wir alle auch heute schon – ganz ohne Behörden – ansteuern: Dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und so dieser Methode die Chance gebe, als ein vom Verbraucher präferiertes Verfahren in der Landwirtschaft anzukommen.
Klar, wir wissen: Das Thema „Tötung“ ist hochemotional, ja provokant. Doch sich nicht damit zu beschäftigen, heißt, es weiter im Stillen und damit häufig in einer grausamen Zone ablaufen zu lassen.
Der Weideschuss heißt im Klartext: Eine Tötung ohne Transport und Schlachthof!
Ausblick Teil 2
Lest im zweiten Teil, welche handfesten Argumente und wirklich guten Gründe dafürsprechen, dass der Weideschuss mehr Aufmerksamkeit von uns allen erhält. Z. B.:
- Welche Betriebe dürfen den Weideschuss heute schon unter welchen Auflagen durchführen?
- Und inwiefern sieht Lisa den Weideschuss wissenschaftlich wie ethisch als eine dringend einzuführende Tötungsmethodik an?