Im deutschen Milch-Dschungel: Eine kleine Orientierung

Gute Milch. Schlechte Milch.

Stärker auf die Herkunft von Milch zu achten lohnt sich. Doch am Supermarktregal steht der geneigte Verbraucher häufig so lange wie ich damals in der Staatsbibliothek der Göttinger Uni. Denn wer versteht noch, auf welche Milchprodukte er oder sie mit einigermaßen gutem Gewissen zugreifen kann und welches das Gewissen strikt verneinen sollte? 

Gerade Wohlfühlbegriffe auf den Verpackungen („Natürlich“, „Wiese“ usw.) und die Gestaltung wie aus einem Reisekatalog für die Schweizer Alpen machen es nicht einfach, zu erkennen: Was ist Fake und was ist authentisch? Das Angebot an Milchprodukten ist nahezu unüberschaubar. Der Navigationskompass eines bewussten Verbrauchers muss schon sehr scharf gestellt sein, um das gut dargestellte Produkt vom guten Produkt zu unterscheiden. 

Doch so langsam lichtet sich der Markt. Denn er hat verstanden, dass Verbraucher:innen nicht mehr nur Fassade kaufen wollen. Bereits 2016 verkündet: Greenpeace Rekord: Endlich greifen mehr Verbraucher zu Biomilch. Damit diese Entwicklung weiter voranschreitet, tut ein bisschen Orientierung im Dschungel der Milchprodukte gut. Folgend seht Ihr eine kleine persönliche Orientierungshilfe, um bei Milch, Käse & Co. griffsicher zu werden. 

Milchratgeber der Welttierschutzorganisation als Orientierungslandkarte

Die Expert:innen der Welttierschutzorganisation haben sich große Mühe gemacht, die am Markt am häufigsten anzutreffenden Milchmarken unter die Lupe zu nehmen. Herausgekommen ist folgende Übersichtstabelle, die ich in diesem Umfang nur hier gefunden habe und die ich sehr hilfreich finde: 

© Milchratgeber der Welttierschutzorganisation Teil I: Bekannte Marken in Zusammenarbeiten mit den Bioanbauverbänden
© Milchratgeber der Welttierschutzorganisation Teil I: Bekannte Marken in Zusammenarbeiten mit den Bioanbauverbänden
© Milchratgeber der Welttierschutzorganisation Teil II: Biozertifizierte Marken sowie Marken, deren Vorgaben hinsichtlich Tierwohl nicht ersichtlich sind
© Milchratgeber der Welttierschutzorganisation Teil II: Biozertifizierte Marken sowie Marken, deren Vorgaben hinsichtlich Tierwohl nicht ersichtlich sind

Eine Warnung möchte ich aussprechen: Die Marke Weihenstephan

Vorsicht bei Produkten der Molkerei Weihenstephan. Diese Marke hat noch vor einigen Jahren mit einem immens hohen Werbebudget das Image einer heilen Milchkuhwelt im Kopf der Verbraucher:innen aufgebaut. Dass hier Werbung und Realität voll auseinanderdriften, könnt ihr nachlesen in der erhellenden Recherche von den Kolleg:innen von Foodwatch.

Nun beleuchte ich aber erst einmal einige der in dieser Karte aufgeführten Anbieter ausführlicher. In der Übersicht:

  • Die großen Bio-Verbände
  • Das Tierschutz-Label für Milch
  • Das Label Pro Weideland
  • Die aufkommenden Milchtankstellen
  • Das vorbildliche Einzelprojekt „Stolze Kuh“

Bioland, Naturland, Demeter & Co. geben Richtung vor

Milch nach EG Öko-Verordnung besser als konventionell

Wenn Du Dich nach Produkten umschaust, die mit dem deutschen bzw. europäischen Bio-Siegel (EG Öko-Verordnung) ausgezeichnet sind, ist das schon mal ganz gut. Das liefert zumindest gesetzliche Mindestanforderungen zur Haltung von Milchkühen wie beispielsweise Auslauf im Freien. Wie viel, wie häufig und dergleichen mehr, ist aber hier nicht verbindlich festgeschrieben.

Milch der privaten Bio-Verbände

Zu bevorzugen sind Produkte, die mit den Siegeln der privaten Anbauverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland gelabelt sind. Diese gehen nämlich – wie bei Fleisch auch – über die der EG Öko-Verordnung hinaus. So z. B. im Platzangebot, dem Auslauf im Freien und der Fütterung. 

Allerdings kommt es auch auf den Biohöfen dieser Labels immer mal wieder zu Missständen, die durch die jährlichen Kontrollen fallen. Zudem handelt es sich bei vielen „Vorgaben“ eher um „Empfehlungen“. Dennoch: die Bio-Verbände geben eine gute und in den meisten Fällen auch verlässliche Orientierung. Bei ihnen zu kaufen, gibt immer auch eine Stimme des Verbrauchers ab, der ein Zeichen setzen will.

Milch, vom Tierschutz zertifiziert

Der Tierschutzbund hat das eigene Label „Für Mehr Tierschutz“ herausgebracht. Neben Fleisch und Eiern wird jetzt auch Milch damit ausgezeichnet. Hier wird’s jedoch ein wenig komplizierter. Denn wir müssen uns danach orientieren, in welchem Bundesland wir uns befinden und in welchem Laden wir einkaufen. 

Bei: Kaufland in Nordrhein Westfalen & Niedersachsen

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen steht beim Einzelhändler Kaufland Frischmilch von der Molkerei NordseeMilch mit dem Label des Deutschen Tierschutzbundes in den Regalen. Die Milch der Molkerei NordseeMilch ist mit der höchste Stufe des Tierschutzlabels ausgezeichnet. 

Bei: LIDL in Bayern

Milch mit dem Tierschutzlabel der Premiumstufe ist derzeit bei Lidl in Bayern unter der Marke „Ein Gutes Stück Bayern“ verfügbar. Garantiert artgerechte Haltung im Laufstall und Zugang zum Freien, wird versprochen.

Bei: ALDI in und rund um Stuttgart

Bei Aldi Süd im Großraum Stuttgart findest Du Bio-Milch in der Premiumstufe sowie bei Aldi Nord Weidemilch in der Premiumstufe von der Osterhusumer Meierei. Hier informiert der Tierschutzbund noch weiter zum Thema Milch.

PRO WEIDELAND – Deutsche Weidecharta 

Dann gibt es noch das „Label Pro Weideland– Deutsche Weidecharta“. Das Siegel wurde vom Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e. V. initiiert. Hinter dem Label stehen u.a. der BUND, der Tierschutzverein für Nutztiere ProVieh, die Universität Göttingen sowie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Landwirt:innen, die mitmachen wollen, müssen diese Kriterien garantieren:

  • Die Kühe stehen an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden auf der Weide.
  • Pro Kuh hält der Landwirt eine Grünlandfläche von mindestens 2000 Quadratmeter bereit, davon mindestens 1000 Quadratmeter Weideland.
  • Die Kühe müssen sich ganzjährig bewegen können. Eine Anbindehaltung wird geduldet, aber nur, wenn die Kühe 180 Tage im Jahr auf die Weide kommen und an jedem zweiten Tag im Winterhalbjahr Auslauf haben
  • Die Kühe erhalten grundsätzlich gentechnikfreies Futter.
  • Die Einhaltung der Kriterien wird von externen Kontrollstellen kontrolliert.

Im Gegenzug sollen die Landwirte in der Zukunft fünf Cent mehr pro Liter für die zertifizierte Milch bekommen.

Diese Marken haben sich der Weidecharta verschrieben:

Klingt gut. Doch zum ersten heißt der Einstieg der Molkereien in die Weidecharta nicht automatisch, dass alle Produkte aus Weidemilch hergestellt werden. Bei Friesland Campina habe ich eher den Eindruck, dass es sich um echte Einzelprodukte handelt, die mit diesem Label ausgezeichnet sind. Achte daher bitte zusätzlich auf entsprechende Hinweise auf dem Produkt (genau das verursacht ja das lange Stehen am Kühlregal wie ich es ehedem aus der Uni-Bibliothek nur kenne….. nur kälter).

Und zum zweiten ist ein Blick hinter die Kulissen nicht immer einfach bzw. möglich. Daher will ich Euch diese beiden Gegenüberstellungen nicht vorenthalten: 

PRO Weidecharta: Einschätzung der Verbraucherzentrale

Die Verbraucher120 Tage Weidegang an sechs Stunden pro Tag – das ist weit weniger, als sich Verbraucher wünschen. Tröstlich ist, dass dies der minimale Weidegang ist, real kommen die Kühe das gesamte Sommerhalbjahr auf die Weide, sofern die Witterung es zulässt. Anbindehaltung der Kühe ist mit einem hohen Tierschutzniveau unvereinbar. Dem Initiator Grünlandzentrum ging es darum, Weidegang an sich zu fördern und möglichst viele, auch kleinere Landwirte zum Mitmachen zu bewegen.

Milchkühe bekommen ergänzend Kraftfutter, um die Milchleistung zu unterstützen. Dieses Zusatzfutter – zum Beispiel aus Soja – darf nur „ohne Gentechnik“ hergestellt sein. Die Weideprodukte (Gras, Heu) sind es sowieso. Das ist ein großer Erfolg aus Verbrauchersicht.

Die externe Kontrolle stellt sicher, dass festgelegte Standards auch eingehalten werden und Erzeuger, die gegen die Regeln verstoßen, ausgeschlossen werden. Dass diese Kontrolle fest verankert wurde, ist ein großes Plus. Hier findest Du den gesamten Beitrag.

CONTRA Weidecharta: Einschätzung der AGfaN

„Die Weidemilch-Kennzeichnung ist vor allem eine Werbemaßnahme. Sie hält ihre Versprechen gegenüber Verbrauchern wie Milcherzeugern nicht.“ So Eckard Wendt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung (AGfaN). Er beklagt v.a., dass die als „Weidemilch“ gekennzeichnete Milch eher „Stallmilch“ sei und dass die Landwirte keinesfalls 5 Cent, sondern nur 1 Cent/kg höherem Milchgeld erhielten. Hier findet ihr den gesamten Beitrag

Das geht schnell: Milchtankstellen

Die „Tankstelle für Milch“. So werden Milchautomaten genannt, an denen Du direkt von den Betrieben bequem Deine Milch abzapfen kannst. Milchautomaten haben klare Vorteile: 

  • Du unterstützt damit direkt den Bauern, da dieser mehr Geld für seine Milch erhält
  • Milchtankstellen sparen lange Transportwege und schonen so das Klima
  • An den Milchtankstellen füllst Du die Milch direkt in ein eigenes Gefäß, zum Beispiel eine Glasflache. Null Verpackungsmüll also. 

Mit Hilfe von Utopia findet man die Übersichten für Milchtankstellen recht fix. Ich habe es mal versucht:

1. Unter Milchautomaten-Direktvermarkter.de

  • sollst Du ca. 650 Milchtankstellen finden können
  • Du gibst Deine Stadt ein und..
  • … es erscheint eine Karte mit Milchautomaten in Routenplaner zur Milchtankstelle

Mein Standort funktioniert ganz prima: 

© Milchautomaten-Direktvermarkter.com
© Milchautomaten-Direktvermarkter.com

Einzelprojekt „Stolze Kuh“

Berlin scheint ein Hotspot auch für mehr Kuh-Bewusstsein zu sein. Wie bereits die oben genannten Molkereien hat ebenso in der Nähe von Berlin das Ehepaar Anja und Janusz Hradetzky das Projekt „Stolze Kuh“ ins Leben gerufen. Auf ihrem Milchviehbetrieb leben die Kühe auf den Weiden des Nationalpark Unteres Odertal, sogar gemolken wird auf der Weide. Besonders erfreulich ist die kuhgebundene Kälberaufzucht:

© Stolze Kuh.de Anja mit Ammen und Kälbern auf den örtlichen Weiden
© Stolze Kuh.de Anja mit Ammen und Kälbern auf den örtlichen Weiden

Natürlich kann man bei den großen Supermarktketten keine Milch vom Betrieb von Anja und Janusz beziehen; doch besuchen könnt Ihr ihn, und (online) einkaufen auch. 

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