Zwei Höfe, zwei Konzepte: Eine westfälische Weidefunk-Tour in die kreative Welt der Direktvermarktung

Wo kaufst Du Dein Rindfleisch? Vom steigenden Wert des emotionalen Erlebnisses

Wo kaufst Du Dein Rindfleisch für gewöhnlich? Falls ausschließlich oder größtenteils im Supermarkt, darfst Du Dich in bester Gesellschaft wähnen. Der Supermarkt ist heute immer noch die erste Anlaufstelle, um eine große Vielfalt an Produkten überblicken und direkt einkaufen zu können. Das kann keinem zum Vorwurf gemacht werden: Über Jahrzehnte wurden wir „VerbraucherInnen“ mit immer größerer Bequemlichkeit und cleveren Stimuli gelockt. 

Doch jeder GfK-Verbraucherstudie zum Trotz, schwappt uns eine noch kleine, aber sehr sehenswerte und hübsche Gegenwelle am Horizont entgegen: mehr und mehr Menschen schätzen den Kauf von Fleisch, Eiern & Co. in zum Beispiel Hofläden – dem niedlichen Klassiker, der in uns das Tante-Emma-Gefühl hochkommen lässt. Hier überzeugt neben den Produkten vor allem eines: Die Direktheit zum Menschen. Dieses Kaufen von Angesicht zu Angesicht, das Sehen der Herkunft des Produktes mit den eigenen Augen. Kurz: ein Einkaufs-Erlebnis, das seine Emotionalität aus der Zwischenmenschlichkeit und dem Direkten speist. 

Wir spüren dieses Interesse auch deutlich in unserem Weideradar und freuen uns rasend darüber. Grund genug, sich individuelle Konzepte vor Ort anzuschauen. Also auf zu unserer experimentellen Tour: Zunächst geht es zum Hof Holtermann und im Anschluss zum Hof Holtmann. So ähnlich sich die Namen sind, so unterschiedlich sind die Konzepte dahinter. Lasst Euch überraschen. 

Aber bevor es losgeht, stellen wir Euch unseren Reisegast vor: Dirk. Dirk ist sozusagen ein Weidefunk-Leser der ersten Stunde und wollte uns mal ein wenig über die Schultern zu schauen. Mehr als gerne! 

Also. Ab geht es auf Hof Nummer 1. 

Hof Holtermann: Eine Bauern-Familie, wie sie im Lehrbuch der ehrlichen Direktvermarktung steht 

„„Ich war schon immer ein Rinder-Mensch! Und mein Sohn hier, der auch!“

Reinhard Holtermann

Das war einer der ersten Sätze, die mir so richtig angenehm unter die Haut gingen. Denn Reinhart wuchs auf einem klassisch arbeitenden Vollerwerbs-Betrieb mit Sauenhaltung auf. Sein Vater übergab ihm das Zepter 1995, und seitdem rödelt der Vollblut-Landwirt so einiges um. Natürlich Seite an Seite mit seiner Frau Ulla und Sohn Jonas. 

Und damit zurück zu den Rindern. Die sind „Schuld“, dass die Holtermanns in die Direktvermarktung gegangen sind. Ein paar Rinder grasten immer schon auf diesem Betrieb, aber die Leidenschaft für diese Tiere verführte Reinhart dazu, es von vier auf heute stattliche 15 Mutterkühe anwachsen zu lassen. Limousin, Blonde Aquitaine, Schwarzbunte. Und dies ebnete den Weg für die bäuerliche Direktvermarktung. Der Klassiker „Wachse oder weiche!“ ließ damals natürlich auch grüßen. Aber die gesamte Familie Holtermann ließ sich davon nicht beeindrucken und setzte auf „Nische“. Mit Erfolg! 

Hofladen Holtermann: Du nimmst mehr mit, als nur ein Produkt

„Wir haben nur eine Facebook-Seite, das reicht vollkommen!“

Ulla Holtermann

Eine gesunde Herden-, Mutter-Kind- und Weidehaltung dürfen alle Kunden genießen, die den Weg nach Senden zum Hof der Holtermanns finden. Und das sind mittlerweile so einige!

Die Kunden kommen aus dem nahen Umfeld des Münsterlandes. Ulla ist die gute Schreiber-Seele. Auf Facebook rege unterwegs, weiß sie die Menschen angenehm und herzlich zu motivieren, einfach mal vorbei zu kommen. Und wer einmal da war… ja, der kommt wieder! 

Denn Du merkst, wie engagiert jedes dieser Familienmitglieder den Hof liebt und für die ehrliche Direktvermarktung brennt. 

Eine Website haben die Holtermanns nicht, sie vermarkten allein über Facebook. Und der positive Ruf der Hofes eilt ihnen voraus. Über Mund-zu-Mund-Propaganda sowie regionale Facebook-Gruppen haben sie sich im Münsterland einen Namen gemacht. 

Es ist (mal wieder) dieses Phänomen: In einen Supermarkt stolperst Du raus, wie du reingekommen bist. Aus einem Hofladen wie dem der Familie Holtermann jedoch kommst du immer ein Stück verändert wieder … Du nimmst eben mehr mit, als nur ein Produkt. 

Harte Arbeit, aber Sohnemann beweist Mut und Wille für Hof und Vermarktung

„Wir machen alles bewusst langsam und in kleinen Schritten.“

Jonas Holtermann

Arbeitsmäßig sind die Holtermanns aber schon am Limit, es ist nicht alles Eitel Sonnenschein. Jonas macht derzeit noch eine Ausbildung, um den Hof irgendwann mal als Vollblut-Landwirt entsprechend übernehmen zu können. Ulla ist Betreuungsassistentin der Altenpflege, und Reinhart „macht Lack und Farbe“ bei der BASF in Hiltrup – seit 35 Jahren. Allesamt arbeiten sie also in Vollzeit! 

Zudem gibt es auf dem Hof noch 160 Mastschweine auf Stroh, die aber langsam abgebaut werden sollen. Und wohin man schaut, öffnet die Familie alles: Ausläufe für Rinder, Hühner & Co. Sie leben diesen Betrieb mit Haut und Haaren. 

„Mama schimpft dann immer, weil wir auch Abends noch am Hof arbeiten und die Tiere beobachten! Kühe anzuschauen ist aber auch einfach schön!“ 

Jonas

Jonas ist – trotz aller harten Arbeit und wenig Freizeit – begeistert von dieser Entwicklung: „Wir machen alles bewusst in langsamen und kleinen Schritten! Risiken wollen wir überschauen können, und gesund wachsen. Und auf jeden Fall in eine Richtung, die uns und die Tiere ebenso zufrieden macht.“ Erzählt Jonas, der seinen Vater sichtlich stolz macht. 

Fleisch und Fleischprodukte: Wenn leer, dann leer 

„Stall und Weide sind kein Supermarkt!“

Reinhard Holtermann

1/3 werden heute noch konventionell vermarktet. 2/3 bereits direkt in dem kleinen Verkaufsraum. Für die Direktvermarktung schlachten und zu leckeren Produkten verarbeiten lassen die Holtermanns bei Bonkhoff in Ascheberg. Kunden von Holtermanns müssen dann und wann aber auch mit einer naturgemäßen Verknappung leben. Da ist Reinhart einfach nur direkt: Stall und Weide sind kein Supermarkt – die Tiere werden vollständig verarbeitet (from Nose to Tail) und wenn die Edelstücke weg sind, sind sie eben weg. 

Holtermanns legen hier eine beachtliche Leistung aufs Parkett. Auch Dirk ist begeistert: „Bei Ulla und ihrer Familie ist es einfach schön! Der Hof und auch die offene und ehrliche Art der Familie. Der Zusammenhalt ist einfach klasse!“ schwärmt er später. 

Was wünscht sich diese Familie? Ganz klar: Kontakt! Sie wollen, dass die Menschen zu ihnen kommen und Transparenz einfordern. Sie wollen zeigen, wo sie herkommen und was sie heute in Sachen Tierhaltung anders machen. Ulla und ihre Familie stehen für uns stellvertretend für eine Familie, die eine bäuerliche Direktvermarktung nach ältester und schönster Tradition vollzieht: Ein direktes Erleben eben nicht nur der „Produkte“. Sondern der Menschen, die für diese Produkte (ein-) stehen. 

Gegen späten Mittag verabschieden wir uns von Familie Holtermann und brechen auf in Richtung des zweiten Hofes: Reinhard Holtmann.

Erfolgsbeispiel einer Direktvermarktung der anderen Art: Reinhard Holtmann’s Wagyu-Zucht

Bevor wir mit unseren Beobachtungen beginnen, direkt das Statement von Dirk vorab: 

„Bei Reinhard muss ich sagen:  Hut ab! In so jungen Jahren so einen großen Betrieb übernommen. Das muss man erst einmal betriebswirtschaftlich
schaffen. Er ist echt ein Perfektionist!“ 

Dirk Stegemann

Das trifft es ziemlich gut. Reinhard hat was auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann: Der weitläufige Betrieb im Süden von Münster ist die Heimat von Familie Holtmann sowie knapp 200 echten Wagyu-Rindern und einigen Schwarzbunten Ammenkühen.

Früher sah dieser Hof anders aus. Reinhards Vater hatte einen klassischen Milchviehbetrieb, inklusive Anbindehaltung. Als Reinhard 19 Jahre war, wendete sich das Blatt: Durch den Tod seines Vaters musste der Jung-Landwirt von heute auf morgen in große Fußstapfen treten. Das machte er. Doch er entschied sich gleichfalls, seinen ganz eigenen Fußabdruck zu hinterlassen… 

Burj al Arab versus Geiz ist geil

„Geiz ist geil lief damals wie blöd, aber mit Fleisch passt das für mich echt nicht zusammen!“

Reinhard Holtmann

Es war 2008, an einem Abend, da hatte Reinhard einen der berühmten Aha-Momente: Er schaute eine TV-Dokumentation über das Burj al Arab, einem der luxuriösesten Hotels der Welt. Hier in Dubai kamen die Herrschaften auf die ausgeklügelte Idee, neben ihrem teuersten und höchsten Hotel auch gleich mal das damals wohl teuerste Steak der Welt vom Kobe-Rind anzubieten. Reinhard ließ diese (Marketing-)Story nicht mehr so richtig los und googelte die halbe Nacht. 

Vom Kern her spürte er das, was gerade bei Lebensmitteln wie Fleisch echt den Punkt trifft: Der Preis wird nur zu einem Teil von der tatsächlichen Qualität bestimmt. Die muss und sollte bei Fleisch stets top sein, keine Frage. Aber das subjektive, emotionale Wert(e)-Empfinden bestimmt dann nochmal brachial darüber, wie viel die Menschen für ein Stück Fleisch dann tatsächlich bereit sind zu zahlen! Hier ist der (Marketing-)Mythos vom massierten, mit Bier getränkten Kobe-Rind zum klassischen Beispiel geworden. 

Reinhard stieg damals kurz entschlossen in die Wagyu-Zucht ein; eine robuste Rinderrasse, die damals in Deutschland und Europa echten Seltenheitswert hatte. Und brachte sie ins Münsterland. „Geiz ist geil lief damals wie blöd, aber mit Fleisch passt das für mich nicht zusammen.“ Sagt Reinhard. Und führt über seine Entscheidung pro Wagyus aus: „Wagyus waren damals die Nische in der Nische. Direktvermarktung ist schon Nische, und damals waren Wagyus nochmal ne Nische obendrauf.“

Von der mengenkonzentrierten Milchviehwirtschaft in eine „Aufsehen erregende“ Wagyu-Zucht

„Es ging nur um’s Wachstum! Das muss ich ehrlich sagen! Und ich war kurz davor, diesen Weg einzuschlagen.“

Reinhard Holtmann

Reinhard ist ein sehr konsequenter Mann und stellte von der Milchviehwirtschaft auf Wagyu um. Schnell war ihm klar, welche Qualität dieses Fleisch bietet, und er brütete Ideen aus, wie von dieser Qualität – der Kerngedanke jeder guten Direktvermarktung – nun bitte auch möglichst viele andere Menschen erfahren konnten. 

Folgendes sollte bei Reinhards Geschichte berücksichtigt werden: Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gingen alle auf Menge! Die Welle landwirtschaftlicher Betriebe, die ihre Mast mit immer ausgefeilterer (Industrie-)Technik auf- und ausbauten, schwappte hoch. „Vor allem Hähnchen waren damals angesagt! Reinhard, sagten sie zu mir, mach in Hähnchen, damit baust Du stabil.“ 

„Es ging nur ums Wachstum! Und ich muss Dir ehrlich sagen: Ich war kurz davor, diesen Weg einzuschlagen.“ Doch genauso wie Holtermanns, wollte auch Holtmann in die Nische. Und nahm dafür einiges in Kauf. Denn der westfälische Landwirt ist alles andere als Bühnen-und Scheinwerferverliebt. Instinktiv wusste dennoch er, dass er genau das brauchte, damit Qualität im richtigen Licht gesehen wird. 

Stelldichein der Profi-Köche: Björn Freitag, Laurin Kux, Tim Mälzer & Holger Stromberg gaben sich die Ehre auf dem Münsterländer Wagyu-Hof

„Manchmal konnte ich es kaum glauben, dass sie mir echt zurückschreiben – das musste ich dann echt meiner Frau zeigen, die es auch kaum glauben konnte!“

Reinhard Holtmann

Reinhard Holtmann hat in den vergangenen Jahren Aufsehen erregende Aktionen und Events ins Leben gerufen, wobei die erste Wagyu-Auktion Europas in Münster inklusive dem damaligen Koch der Deutschen Nationalmannschaft Holger Stromberg nur zum Anfang gehören. 

Die Events brachten die notwendige Aufmerksamkeit, die vielen Direktvermarktung heute noch in guten Teilen fehlt, aber auch echte Freundschaften und Fans vom Konzept, wie es Reinhard Holtmann auf die Füße gestellt hat. Dazu zählen sich – den MünsteranerInnen bekannt – Laurin Kux (Restaurant Ackermann): „Laurin Kux, das ist ein klasse Kerl! Top Haltung!“ –  sowie TV-Koch Björn Freitag, den Reinhard für seine bodenständige Art schätzt: „Einfach eine ehrliche Haut, so nett und bester Ruhrpott-Charakter!“ Björn hat sogar ein Rezept für Wagyu-Burger im Verkaufslädchen von Holtmanns Hof hinterlassen: 

Sinnvoll vernetzt, stets im persönlichen Gespräch und konsequent kundenorientiert 

„Ich spreche nicht gerne vom Verbraucher – für mich sind es Kunden!“

Reinhard Holtmann

In der bäuerlichen Direktvermarktung von ehrlich gut produzierten Produkten sieht Reinhard noch richtig viel Luft nach oben!  Er hat heute in seinem Sortiment vom Wagyu „alles Angebot, was geht!“ Damit entspricht er einer Einkaufsroutine durchschnittlicher VerbraucherInnen, die nun einmal nicht weg zu diskutieren ist: Auswahl einer großen Menge von Convenience-Produkten. Dazu noch die überragende Fleischqualität lassen viele Besucher des Holtmann’schen Hofes schnell zu Stammkunden werden. 

Einen Online Shop hat Reinhard nicht. Bei ihm kann bestellt und abgeholt werden, hier schätzt er dann die persönliche Rückmeldung seiner Kunden. „Ich habe ein direktes Feedback, das ist super!“ Reinhard spricht dabei nie von „Verbraucher“, sondern immer vom Kunden und drückt damit seine grundlegende, sehr gesunde Haltung innerhalb seines Verständnisses einer modernen Direktvermarktung aus. 

Diese Wertschätzung erstreckt sich zu jedem Menschen, mit dem Reinhard in Kontakt steht. So auch sein beachtliches Netzwerk an Gastronomien und Metzgereien, die das besondere Produkt vom Wagyu-Hof Münsterland zu schätzen wissen, u.a.: Dirk Flechsig in Hamm und Thier in Münster MecklenbeckRestaurant Xclusiv Kitchen in Unna und natürlich das Restaurant Ackermann

Wir schließen nochmal an das Statement von Dirk an: Es ist beachtlich, dass Reinhard sich damals bewusst gegen das entschieden hat, was „man eben so macht“ und ein geringeres Risiko verspricht. Die bäuerliche Direktvermarktung braucht Mut, Kreativität und gewiss auch einen Hauch von Anderssein und Ausbrechen aus alten Spuren. 

Die Direktvermarktung von bäuerlichen Betrieben, wie wir sie in diesem Beitrag und in einer Vielzahl anderer Beiträge schon vorgestellt haben, benötigt nicht nur die eine Seite, die Anbieterseite. Sie benötigt dringend die Menschen, die vielleicht nicht bei jedem Einkauf, aber immer mal wieder eben nicht im Supermarkt um die Ecke einkaufen. Sondern das Besondere suchen, damit es irgendwann eine Chance hat, zum Alltäglichen zu werden. 

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