weidefunk besuchte Stephanie und Henrik Schulze Wettendorf: „Landwirt? Das ist der schönste Beruf der Welt!“ Mit westfälischem Herzblut in die bäuerliche Direktvermarktung.

Münsterland und seine Landwirte: Kreativer Gründergeist 

„Ich hab‘ extra früher Feierabend gemacht für Euch …“ war einer der ersten Sätze, die Henrik zu uns sagt, als Juliane und ich uns aus dem Auto schälen. Wir hatten es nicht weit: ca. 25 Minuten von Münster entfernt, liegt der Hof von Stephanie und Henrik Schulze Wettendorf in Alverskirchen im Münsterland. Es ist ein Tag mit allen nur erdenklichen Grautönen, doch die eindrucksvollen Gebäude des seit 1339 bestehenden, stets familienbetriebenen Hofes trösten uns charmant über die westfälische Wetterlage hinweg. 

Vollzeit arbeiten hält doch einen Landwirt nicht davon ab, etwas richtig Gutes auf die Beine zu stellen. 

„Ich miste und füttere. 
Stephanie macht den Rest!“ lacht Henrik.

Das Ehepaar Schulze Wettendorf hat drei Kinder, sieben, zehn und zwölf Jahre jung. Stephanie ist gelernte Betriebswirtin (VWA), Henrik leitet in Vollzeit die Forst- und Gutsverwaltung in Ibbenbüren. Das Paar dürfte das Wort „Langeweile“ nicht allzu häufig im Repertoire haben. Wir schauen uns um: stattliche Gebäude, ein schön-moderner Hofladen namens „Fleischoase“, große offene Stallungen, Wiesen und Weiden um uns herum … 

Ok, Henrik, Butter bei die Fische: Wie viele Mitarbeitende hast Du? Überfalle ich ihn fragend. Der lacht und winkt ab: „Keinen! Ich miste und füttere, Stephanie macht den Rest!“ Juliane und ich staunen Bauklötze. Nun, um ehrlich zu sein sind wir deswegen heute bei den Beiden. Die Landwirtschaft bewegt sich, wir alle wissen es. Und wir wollten zwei Landwirte kennenlernen, die mächtig viel bewegen. Also, los geht’s. 

Ursprüngliche Direktvermarktung: Also ehrliche Nähe zu den Menschen!

Bis 1994 hatten die Eltern von Henrik 500 Schweine auf Teilspaltenboden. Vor 15 Jahren dann mussten die Eltern die Landwirtschaft aufgeben. Das war dann die Zeit, die Landwirtschaft nach eigenen Maßstäben umzugestalten: Tiergerechter, und näher am Menschen. 2008 übernahmen Stephanie und Henrik den Hof im Nebenerwerb und arbeiten seitdem Hand in Hand: Während der hochgewachsene Westfale ohne Zweifel sehr gerne bei seinen Tieren herumtüddelt, sprich mistet und füttert, managed Stephanie den kompletten Hofladen.  

„Ich war echt erschrocken, wie wenige Menschen überhaupt mal ein Ferkel gestreichelt haben!“ 

Doch die Beiden verbindet mehr als „nur“ ein Hofladen mit dem dazugehörigen Hof: Sie wollen eine Direktvermarktung aufbauen, die den Menschen zeigt, wie Landwirtschaft auch geht. 

Von einem Hoffest berichtet Henrik das Aha-Erlebnis: „Ich wollte da damals nicht einfach n paar Leberwurst-Dosen hinstellen, das lockt ja keinen mehr hinterm Ofen vor. Also nahm ich zwei Ferkel mit, damit sie die mal anfassen können. Und ich war so erschrocken, wie wenige Menschen überhaupt mal ein Ferkel gestreichelt haben!“ 

Henrik und Stephanie liegt es am Herzen, dass die Menschen eine Landwirtschaft kennenlernen dürfen, die keinesfalls romantisiert, aber eben für Mensch und Tier funktioniert.  Dazu wählten Schulze Wettendorf unter anderem den Weg der Direktvermarktung. Nein, sorry: Sie wählten ihren ganz eigenen Weg der Direktvermarktung!

Gute Münsteraner Köche wissen, wie sie hinter den wahren Wert eines Lebensmittels schauen 

Die beiden Vollblut-Westfalen hatten stets ein sensibles Ohr für das, was Ihre Kunden wünschen. Angefangen hatte es damals mit ein paar Puten. Von begeisterten Privatkunden angespornt, erweitertem sie um Hähnchen. 

„Ich will Schweine, 
die genauso gut leben bei Dir 
wie bislang Deine Hühner!“ 

Als dann der befreundete Koch Karl Nikolas Spitzner aus dem Münsteraner Restaurant „Spitzner im Oerschen Hof“ Henrik ermunterte, Schweine auf den Hof zu holen, kam die Direktvermarktung à la Schulze Wettendorf so richtig in Schwung! 

Karl Nikolas war es für seine Gäste wichtig, selbst hinter die Kulissen zu schauen: Was für ein Fleisch kaufe ich da eigentlich? Wie geht es dem Tier? Wie erzeuge ich die höchste Lebensmittel-Qualität für meine Gäste? Der Koch bezog bereits Puten von Henrik und wusste, wie diese gehalten und aufgezogen worden sind. Genau diese Qualität – die wolle er nun auch beim Schweinefleisch haben!

„Der Koch hat mich genötigt, wieder Schweine zu halten!“ lacht Henrik. Ja, zum Glück hat er das. Heute halten Schulze Wettendorf knapp 50 Schweine, 70 Hühner, eine kleine Herde von Mutterkühen mit ihren Kälbern, außerdem Schafe, Hähnchen und Puten. Turbomast ist auf diesem Hof ein Fremdwort. Langsam und energiereduziert werden beispielsweise die Schweine mit Kartoffeln und Getreidearten gefüttert. 

Die Haltung des Ehepaars zu ihren Tieren drückt sich in Ihrer Haltung der Tiere aus: 

Tierhaltung in der Landwirtschaft: „Bei den meisten Menschen musst Du bei Adam und Eva anfangen zu erklären.“

„Ich mach das hier selber, ich setze auf kein Bio-Label oder so. Das hier ist Schweinehaltung à la Modell Schulze Wettendorf!“ 

Die Schweine flitzen in kleinen Gruppen auf Stroh in geräumigen Freiluftstallungen hin und her. Es gibt einige Offenstall-Modelle, doch Henrik hat seine eigenen Vorstellungen, wie es wirtschaftlich und tiergerecht zugleich zugehen sollte. Eben Schweinehaltung à la Modell Schulze Wettendorf. Rinder, Schafe und Hühner geniessen die Weide- und Freilandhaltung. 

Auf bestehende Bio-Label möchte er nicht aufsetzen. Lieber zeigt er den Menschen vor Ort, warum er die Tiere so hält, wie er es tut. Und erklärt! Mit landwirtschaftlichem Verstand, und vielen Ideen, die er gemeinsam mit Stephanie austüftelt, versucht er,  ehrlich zu vermitteln. So zum Beispiel mit dem Schweine- und Geflügel ABC: 

„Tierhaltung in der Landwirtschaft! Ach, Inga! Bei den meisten musst Du da wirklich bei Adam und Eva anfangen!“ Henrik meint das keineswegs von oben herab. Ganz im Gegenteil hat das Ehepaar einfach nur eine Sache messerscharf erkannt: 

Was weiss denn der durchschnittliche Verbraucher wirklich von der landwirtschaftlichen Tierhaltung und den zahllosen damit zusammenhängenden Aspekten?  Stephanie und Henrik wollen die Sache angehen und die Menschen mitnehmen. In ihre Arbeit, in ihre Tierhaltung, in ihr Leben. 

Hofladen-Kundin Jule: „Ich gehe einfach glücklich nach Hause!“

Die beiden Westfalen lachen sehr viel, es ist erfrischend, mit ihnen zusammen zu sein. Jeder, der den Hofladen „Fleischoase“ – und gerne direkt die Tiere – von den Beiden besucht, wird das erfahren. Wir stehen bei Henriks Schweinen und „Jango“, offiziell als Begrüssungsschwein klassifiziert, will wissen, was hier los ist. 

Nun, Jango bekommt auch was zu sehen. Eben kommen noch Stephanie und Jule, eine Kundin des Hofes, vorbei. Sie möchte sich ein Clubschwein aussuchen. Clubschwein? Na, das ist ein weiteres Konzept aus dem Ideenkasten zur Direktvermarktung à la Schulze Wettendorf: Ein Clubschwein können sich eine Gruppe von Menschen – Kumpels oder direkt ein ganzes Verbands-Team – teilen. Einfach das Ferkel vor Ort aussuchen und für 70 EUR Anzahlung erhält das Tier eine grüne Ohrmarke als Zeichen dafür, dass es nun „Euer Clubschwein“ ist. Der Besuch des Tieres ist jederzeit herzlich willkommen. 

Ist die Zeit gekommen, bestimmen die Club-Eigentümer darüber, in welche Teilstücke das Tier zerlegt und wie es aufgeteilt werden soll. 

Ich besuche gerne Hofläden, das ist für mich wie ein Event-Shoppen! Ich fahre einfach glücklich nach Hause.

Jule ist über die Jahre zu einem sehr umsichtig einkaufenden Menschen geworden und beobachtet zufrieden, wie dies auch ihre Kinder zunehmend machen. Glasflaschen statt Plastik, und immer häufiger eben auch schauen, woher Fleisch, Milch und Co. kommen. Ein wünschenswerter Weg.  

Jule: „Ich habe vorher noch nie ein Schwein angefasst!“

„Ich besuche auch Hofläden, das ist für mich wie ein Event-Shoppen!  Ich genieße es, denn da sind die Menschen total freundlich, es herrscht keine Hektik. Da fahre ich dann einfach glücklich nach Hause.“

„Landwirt? Das ist der schönste Beruf der Welt!“

Als Landwirt musst du heut leidensfähig sein. Das wissen Henrik und Stephanie. Aber sie glauben fest daran, dass in der bäuerlichen Direktvermarktung viel Musik liegt, die Landwirtschaft zu verändern – ins Positive. 

„Nehmt die Leute mit in die Ställe – auch wenn es dreckig ist!“

 „Du musst absolut authentisch sein! Und nehmt die Leute mit in die Ställe – auch wenn es dreckig ist!“ weiß Henrik aus bester Erfahrung mit seinen Kunden. Ein Zuckerschlecken ist das nicht, klar: „Du musst halt immer da sein. Kommt da Sonntag noch jemand rumgefahren: „Bitte 20 Eier!“ Selbstverständlich bekommt der 20 Eier. Und genau das musst du dann eben auch wollen: Den ehrlichen Kontakt zum Kunden! Für ihn da sein und zeigen, was notwendig ist, damit Verbraucher das alles verstehen können.“ 

Diese Nähe zu den Menschen ist dem Ehepaar ungemein wichtig. Neben Hoffesten organisieren die Beiden auch mal einen ganzen Kabarett-Abend für Ihr Gäste. Sie wollen eben Tür und Tor öffnen, und den Menschen etwas bieten, was das einseitig gemalte Gemälde einer vollindustrialisierten Landwirtschaft mit bunten, modernen Flecken konstruktiv anreichert. 

Stephanie weiss: „Du, unsere Kinder werden einfach damit groß: Wir halten unsere Tiere zur Lebensmittelgewinnung. Aber wir finden: das sollte eben nicht verheimlicht werden. Dafür halten wir unsere Tiere so, wie es ihrer Art entspricht!“ 

Schulze Wettendorf Junior: „Papa, kommt das Tier von uns? Sonst esse ich das nicht!“

Stephanie ist dieser ehrliche Umgang den Kindern gegenüber wichtig. Thomas, der mittlere Sohn der Beiden, setzt ein zauberhaftes Exempel für diese Haltung. Der zehnjährige (!) kocht für sein Leben gern. Dann kommen da schon mal Äußerungen wie: „Ne Mama, das Gewürz geht nicht!“ Und greift wie ein Profi zu einem anderen Extrakt. Vor allem aber ist er schon jetzt sensibel. So entgegnete er jüngst: „Papa, kommt das Tier denn von uns? Sonst esse ich das nicht!“

Die Eltern leben ein Vorbild. Für ihre Kinder, und stark für eine funktionierende bäuerliche Direktvermarktung mit viel (westfälischem) Herzblut! Ach übrigens: Ein Großteil des Fleisches wird schon heute nur im eigenen Hofladen verkauft. Ein schönes Zeichen dafür, dass die Schulze Wettendorf’sche Sprache der Direktvermarktung auf offenes Gehör bei den Kunden stößt.  

Henrik & Stephanie, wir wünschen Euch noch viele kreative Ideen, lecker gekochte Gerichte von Sohn Thomas und viele liebe Hofladen-Gäste. Habt Dank für Eure herzliche und unterhaltsame Gastfreundschaft! Bis bald.

Die Schulze-Wettendorfs und ihre Fleischoase bei FacebookHier geht es zur Website.

Oder besuch‘ direkt den Hof, die Tiere und den Hofladen ‚Fleischoase‘ von Stephanie und Henrik:

Adresse:
Schulze Wettendorf
Wettendorf 1
48351 Alverskirchen
Öffnungszeiten
Mi. 15:00–18:00 Uhr
Fr.. 09:00–12:00 Uhr
… und nach Vereinbarung!
Kontakt:
02506 307822
E.: service@fleischoase.com

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