Das gute Gewissen als Einkaufsratgeber. Sieben Tipps für Deinen Alltag.

Mittelweg? Von wegen langweilig!

„Spannst du eine Saite zu stark, wird sie reißen. Spannst du sie zu schwach, kannst du nicht auf ihr spielen.“ Dieses Sprichwort wird dem Buddhismus zugesprochen und verweist auf den löblichen Mittelweg. Beim Thema Fleischkonsum ist der Mittelweg bislang wenig in den Blick gekommen. Doch bei Thema Massentierhaltung helfen keine extreme Wege, da deren Umsetzung sich allzu häufig schon als gesellschaftlich nicht breitflächig umsetzbar oder schlicht zu langsam erwiesen haben. Stattdessen darf man sich mal fragen:

Wie kann ich das eine tun (Fleischkonsum), ohne das andere zu lassen (Fleischkonsum in andere Wege lenken)?

Wer derzeit durch die (Online-) Medien blättert oder wischt, kann sich der Diskussion nicht entziehen: 

  • Fleisch soll höher besteuert werden
  • Fleischkonsum killt Klima
  • Massentierhaltung führt zu noch mehr Hunger in der Welt: 2/5 der weltweiten Getreideernte landet in der Tierproduktion
  • Nutztierhaltung moralisch und ethisch nicht mehr zu vertreten

6,7 Milliarden Menschen stehen mehr als vier Milliarden Nutztiere gegenüber. Das ist eine Ansage. Und während in der westlichen Welt der Fleischkonsum halbwegs konstant ist, nehmen China und Indien immer weiter an Fahrt auf in ihrer Fleischlust. Nach FAO-Schätzungen wird sich der globale Fleischverbrauch bis 2050 fast verdoppeln. 

Fleisch als Problemprodukt. Was sollten wir tun?

Fleisch wird also zum „Problemprodukt“ wie Hanno Charisius in seinem Beitrag „Unsere Liebe zum Tier“ feststellt. Wie können wir uns verhalten? Kann man guten Gewissens Fleisch essen? Was können wir aktiv tun, um gemeinsam einen Fleischkonsum auszustoßen, der realistisch und lösungsorientiert zugleich ist?

Wir haben aus unterschiedlichen Quellen acht Vorschläge zusammengetragen, die jeder für sich nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Doch folgende Überlegung (ja, diese lest Ihr häufiger bei weidefunk):

Wenn die in Deutschland lebenden knapp 83 Mio. Menschen nur bei jedem dritten Einkauf diese Vorschläge beherzigen, wären wir schon einen bedeutenden Schritt weiter. Also legen wir los:

  1. Finger weg vom Discounter-Fleisch und Billigware
  2. Weit gereistes Fleisch vermeiden und wohlklingende Länder-Klischees hinterfragen
  3. Fleisch aus regionaler Nachbarschaft bevorzugen
  4. Wildfleisch als Alternative
  5. Bio-Fleisch mit Siegel ist gute Ausgangslage
  6. Bio-Fleisch von Neuland, Bioland, Naturland & Demeter sind noch besser
  7. „From Nose to Tail“ und tägliche Abwechslung sind gute Prinzipien

1. Synonym für Massentierhaltung: Finger weg vom Discounter-Fleisch und Billigware

„Discounterfleisch“ ist in unserem Sprachgebrauch zum Synonym von billigem, schlechtem und aus der Massentierhaltung stammenden Fleischprodukten geworden. Nicht ohne Grund.

UTOPIA mahnt vor jeglichen Arten der niedrigpreisigen Fleischvermarktungstrategien des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Darunter leiden Tiere, Landwirte und nicht zum Schluss die Gesundheit derer, die die Fleischprodukte langfristig konsumieren. Erst jüngst fanden die aufmerksame Utopia-Redakteure ein „Unfassbares Real-Sonderangebot: gemischtes Schweine- und Rinderhackfleisch – für nur 35 Cent je 100 Gramm“. Der Beitrag und einen Ausschnitt aus den Reaktionen des Sozialen Netzes gibt es hier.

„Lebensmittel brauchen Wertschätzung. Je günstiger sie sind, desto mehr wird auch weggeworfen. Wenn man also im Sonderangebot für 1,59 Euro 500 Gramm Schweinehack kauft, dann ist das so teuer wie ein Buttercroissant und wird damit auch nicht mehr wirklich geschätzt.“ So Markus Wolter vom WWF.

Der LEH reagierte in den vergangenen Jahren: So entwickelte man in den Führungsetagen entsprechende „Transparenzsysteme und -labels“ zur Haltung der Tiere. Mehr zum konkreten Für und Wider dieser Label kannst Du hier nachlesen. Vorab sei verraten: Der Preis ist trotz aller Labels immer noch einer der zuverlässigsten Indikatoren: Was billig ist – Hände weg. Wer eine Übersicht zu den allgemein wichtigsten Labels haben möchte, kann hier reinschauen.

2. Reisende soll man nicht aufhalten: Weit gereistes Fleisch vermeiden und wohlklingende Länder-Klischees hinterfragen

Wer kennt sie nicht, die „Beef-Lieberhaber“, die ein gutes argentinisches Steak wertschätzen? Da es beim Lebendmarkt „Fleisch“ nie zu einer richtigen Markenbildung kam, orientierten sich die Verbraucher mangels Brands eben an Land und Leuten. So wurde Fleisch aus Brasilien oder Argentinien das Qualitätssiegel zugesprochen, assoziativ untermalt von sonnigen und weiten Wiesen und Prärien.

Doch Fleischprodukte aus Spanien, Argentinien & Co. wurden nicht zuletzt durch die Verbraucherzentrale Berlin schwer kritisiert und aufgedeckt, was häufig wirklich hinter den feurigen Werbeversprechen von Freilandhaltung & Co. aus Übersee steckt.

Auch der Mitteldeutsche Rundfunk sowie der Süddeutsche Rundfunk haben sich in dieses Thema angenommen. Hauptproblem sind die so genannten Foodlogs, die in der Werbung Aufzucht unter freiem Himmel versprechen. Dahinter versteckt sich aber häufig nur eine Mast, die unter den gleichen Bedingungen wie die Intensivtierhaltung stattfindet. Eben unter freiem Himmel. Mehr dazu auch im Travelbook

Verkauft wird das Ganze dann aber als Premiumfleisch. Und selbst Bio-Fleisch aus diesen Ländern hat so absurd weite Wege hinter sich (die zur problematischen CO2-Bilanz von Fleisch noch die Emissionen aus dem Transport kommen lassen), dass man es aus Nachhaltigkeitsgründen definitiv meiden sollte. Dann doch lieber unsere heimischen Bauern unterstützen.

3. Fleisch aus regionaler Nachbarschaft bevorzugen. Und auch mal die Ursprungsgeschichte erzählen lassen

Generell gilt: Regional zu kaufen ist zumeist nachhaltiger. Das gilt für den Metzger um die Ecke genauso wie für den örtlichen Bauernladen drei Dörfer weiter. Die Menschen, die dort arbeiten, können in aller Regel gut Auskunft darüber geben, woher die Produkte stammen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt worden sind. Auch Wochenmärkte, Bioläden und Bio-Supermärkte bieten oft (Bio-)Fleisch aus regionaler Erzeugung an.

Doch regional schließt Massentierhaltung nicht zwangsläufig aus. Es esschadet daher nicht, wenn Du Deinen eigenen Blick kritisch schulst und nachfragst. Bei guten Anbietern wird Dir über die Ursprungsgeschichte der Tiere gerne Auskunft erteilt.

Und wo wir schon beim Regionalen sind:

4. Wild als Alternative. Denn über Tierhaltung muss hier nicht mehr diskutiert werden

Nicole Ficociello gibt mit dem Hinweis auf die Jagd als Quelle für Fleischkonsum mit besserem Gewissen einen interessanten Hinweis. Und ja, die Jagd entwickelt sich. Sie wird jünger und sie wird weiblicher

Jagdschulen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Das kann man kritisch sehen, so im Sinne: Jagen ist das neue Golfen. Oder aber als einen Drive vieler Menschen zu einem „zurück zur Natur“ verstehen. Fakt bleibt: Bei der Jagd sprechen wir von keiner Haltungsform mehr. Die Tiere leben frei im Wald. „Das beste Fleisch kommt nicht aus dem Stall, sondern aus dem Wald. (…) Keine Käfige, kein Antibiotika, kein Transport.“ So Nicole Ficociello.

Mit Vorsicht geniessen solltest Du aber Wildfleisch vom Discounter. Nicht selten stammt das Wild aus umprofessionellen Drückjagden und/oder wird aus Übersee eingeschifft. Der Wildmarkt boomt und ruft konventionelle Anbieter auf den Plan; kauf also Dein Wildfleisch nur von JägerInnen bzw. Shops, denen Du vertraust und die direkt und gerne Auskunft über die Urspungsgeschichte der Tiere geben. Beispielsweise bieten die WILDPIRATEN als auch der Shop von ELBWILD verantwortungsvoll erlegtes Wild aus der Region an.

5. Das Minimum im Fleischeinkauf: Bio-Fleisch mit Siegel

Das Bio-Siegel stellt sicher, dass in der Tierhaltung ökologische Mindeststandards der EK Öko-Verordnung eingehalten worden sind.

In der Bio-Tierhaltung haben die Tiere in den Ställen generell mehr Platz, erhalten Auslauf, Antibiotika-Gabe erfolgt nicht präventiv und auch die Fütterung muss bestimmten Qualitätskriterien genügen. Gentechnische Veränderungen sind untersagt. Für den Tier- und Umweltschutz seien tierische Produkte aus ökologischer Landwirtschaft klar von Vorteil, sagt der Soziologe Achim Spiller, Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen.

Wer es noch besser haben möchte, achtet auf die folgenden:

6. Bio-Fleisch von Neuland, Bioland, Naturland & Demeter. Die bessere Wahl

Der „NEULAND-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung e.V.“ mit seiner Marke sowie die BIO-Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter besitzen noch höhere Tierhaltungskriterien als das EU-Bio-Siegel.

Die Tiere haben mehr Platz und Auslauf, sie werden noch etwas artgerechter gehalten, die Dauer von Tiertransporten ist begrenzt und die Bio-Tierhaltung kann nicht mit konventioneller kombiniert werden. Die Tiere erhalten Futter zu einem hohen Teil aus eigener Bio-Produktion. Mehr zu den Verbänden und ihren Richtlinien, Werten und Vorhaben kannst Du hier nachlesen.

7. Gegen die Verschwendung: „From Nose to Tail“ und tägliche Abwechslung sind gute Prinzipien

From Nose to Tail – so bezeichnen Metzger die Verarbeitung des gesamten Tieres. Eben von der Nase bis zum Schwanz. Lange Zeit galt es, von einem Tier stets nur die besonderen Teile zu essen, wie das Filet. Mittlerweile proklamieren immer mehr gute Metzgereien die Verarbeitung des gesamten Tieres und machen daraus Alltagsprodukte. Mehr zu diesem sinnvollen Konzept könnt Ihr hier nachlesen.

Wie die Verarbeitung des gesamten Tieres, so sollte es auch selbstverständlich sein, dass Fleisch nicht für die Tonne ist! Was natürlich für andere Lebensmittel ebenso gilt, erlangt bei Fleisch aber eine besondere Brisanz eben wegen des „Produkts Tier“. Nicole Ficociello schlägt hier die App „Zu gut für die Tonne“ vor. Hier könnt ihr über die App viel Lesenswertes erfahren.

Und noch ein letzter Punkt: Jeder Deutsche isst pro Jahr durchschnittlich 60 Kg Fleisch. Im Laufe unseres Lebens isst so jeder von uns geschätzte 1.000 Tiere. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung ist das viel zu viel. Diese empfiehlt, pro Woche nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst zu essen. Das entspricht 31 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Fleisch muss nicht jeden Tag und zu jeder Mahlzeit auf unseren Tellern landen. „Fleisch ist grundsätzlich kein Muss bei der Ernährung“, betont Gabriele Janthur, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW. Und wenn doch, dann immer mal wieder auch nach dem einen oder anderen oben vorgeschlagenen Tipp.

Das Schlusswort hat die Vorsitzende von Slow Food, Ursula Hudson. Besser nämlich kann man es kaum auf den Punkt bringen, was das eigene Handeln anbelangt:

„Was fair ist, können wir nur entscheiden, wenn wir uns für die Herkunft und Verarbeitung unseres Fleischs interessieren: Wenn wir wissen, wie ein Tier aufgewachsen ist, wie es gehalten und gefüttert wurde, wer es vom Leben zum Tod befördert hat und ob ein bestmögliches Leben einem bestmöglichen Tod vorausging.“

Und in Deinem Alltag?

Worauf achtest Du beim Einkauf von Fleisch? Was ist Dir in den vergangen Jahren immer wichtiger geworden?

Verwandte Quellen

1 Kommentar

  1. Danke für den tollen Beitrag und den Einkaufsratgeber, Inga.Ich werde aufjedenfall die Tipps in meinen Alltag einbauen.Es ist jedenfalls sehr wichtig sich gegen Verschwendung zu streuben.Ich habe das Gefühl, dass viele nicht merken, dass man auch das ganze Tier essen kann.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein