Ein gutes Schweineleben dank eindrucksvoller Lebensgeschichte: Bauer Korte.

Lass doch die Sau raus! 

Viele Menschen fragen sich, warum Kühe, Kälber und Schweine nicht einfach draußen laufen: Auf Weide, im Wald, in der Natur eben. Doch was es für Landwirte bedeutet, ihre Tiere rauszulassen und auf wesensgerechte Haltung umzustellen – wogegen ein Industriesystem Jahrzehnte gegen angearbeitet hat – wissen viele Menschen nicht. 

Dies gilt insbesondere für die Weide- und Freilandhaltung von Schweinen. Wenige Betriebe schaffen es, die Auflagen sind hoch, die Risiken und Kosten noch höher. 

Doch ein Tier, das sein Leben lang kein Tageslicht gesehen hat, in kürzester Zeit hochgemästet wird auf Schlachtgewicht, medikamentöse Hochdosen abbekommt und einen angsterfüllten Tod im Schlachthaus findet, kann kaum die Grundlage für ein gesundes Lebensmittel sein. Die ethische Perspektive mal außen vorgelassen.

Kein Wunder also, dass Schweinefleisch zielich in Verruf geraten ist. Dabei ist auch hier die Herkunft des Tieres entscheidend, wie (un)gesund das Lebensmittel „Fleisch“ ist. 

Schweinehaltung in Bewegung

„Heiner und seine Schweine müsst ihr kennenlernen“

Andy Körfgen | Sauerlandgriller

Ohne Frage haben wir ein Augenmerk auf Höfe, die ihre Tiere auf „Freiland“ umstellen, allen Widrigkeiten zum Trotz. So wird bei uns im Weideradar längst nicht mehr nach „Schweinefleisch“ und „Schnitzel“ gesucht. Sondern nach „Freilaufschwein“ oder „Weideschwein“. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt mutigen VorreiterInnen zu verdanken, wie Gaby Mörixmann etwa. Sie und andere bieten Haltungskonzepte am Markt, die für Betriebe umsetzbar sind. 

Und dann gibt es die Höfe, bei denen Du denkst: „Ja, was ist das denn?!“ Bei einem solchen Bauern waren wir am Samstag zusammen mit den Sauerlandgrillern Steffi und Andy. Die passionierten Grill-Profis schrieben mir: „Inga – den Heiner Korte, den müsst ihr mal zusammen mit seinen Schweinen kennenlernen!“  

Das taten wir. Und Andy hat nicht zu viel versprochen … 

Hof Korte: Ein rosarotes Getümmel 

Als Lioba, Jeanette, Juliane und ich am Samstagmittag am Hof ankommen, trauen wir unseren Augen kaum: uns empfängt ein halber Zoo an Tieren, kleine Gehege mit Hundehütten, um die herum rosarote Minischweine toben. In der Ferne sehen wir die große Schweinewiese mit eigenem „Pool“ und Dusche. Wir haben ja eine Menge Schweinehaltungssysteme gesehen, aber das ist dann doch neu. 

Steffi und Andy steigen aus ihrem Wagen und grinsen. Sie ahnen unsere Verwunderung. Die beiden brennen für alle Themen rund um Grillen, Fleisch & Co. Umso schöner ist es da, dass sie ihre LeserInnen sanft motivieren, auf die Herkunft von Fleisch zu schauen. Nie mit erhobenem Zeigefinger, immer mit Lust, Laune und ner Menge Genuss (Facebook und Instagram). Und Bauer Korte ist ein Lieblingshof der beiden Fleischprofis. 

Heiner Korte empfängt uns herzlich. Wir steigen persönlich ein. Ich will wissen, was im Namen der Menschlichkeit ihn dazu bewogen hat, seinen Schweinen ein derartiges Leben zu bieten, das weit über dem (gesetzlichen) Standard liegt. Der Hof war ehedem ein Milchviehbetrieb, danach rüsteten Heiner und sein Vater ihn in den 70er Jahren auf einen Schweinemastbetrieb mit Vollspaltenboden um. Für Heiner war diese Landwirtschaft normal. Bis er schwer krank wurde.  

Wenn Ernährung das Leben verändert

„Welche Qualität von Lebensmittel produzier ich da eigentlich!?“

Heiner Korte

„Ich wurde damals von meinem Arzt vor vollendete Tatsachen gestellt: Polyarthritis. Mit Aussicht auf Rollstuhl.“ erinnert sich der Landwirt zurück. In seiner Verzweiflung rannte er von Arzt zu Arzt. Außer einem bunten Medikamenten-Cocktail gab es aber wenig zu holen. Mit der Zeit arbeitete sich der damals 30-jährige Schweinebauer selbständig in das Thema „Ernährung“ ein. 

Eine der ersten Maßnahmen des Schweinbauern: Schweinefleisch war gestrichen. Einige Jahre lebte er vegetarisch, sogar vegan. Er lernte viel über Inhaltsstoffe, probierte, was ihm guttat und fand seinen Weg. Heute braucht Heiner mitnichten die Hilfe eines Rollstuhls. Ihm geht es prächtig und wir marschieren über den weitläufigen Hof. 

Seiner Einsicht in die Ernährung haben es die Schweine zu verdanken, nicht mehr auf Vollspalten, sondern auf Stroh und Wiese zu stehen. „Wenn Ernährung mich krank und gleichzeitig gesund machen kann, was tu ich da gerade mit meiner eigenen Schweinehaltung? Welche Qualität von Lebensmittel produzier ich da eigentlich!?“ erinnert sich Heiner zurück, um seinen persönlichen „Wake Up Call“ und den darauffolgenden Komplettumbau seines Hofes zu erklären. 

Langsam gehen, um Großes zu erreichen

„Es war mir verdammt egal, ich habe es einfach gemacht.“

Heiner Korte

„Im Rückblick war es ganz schön riskant“, schmunzelt Heiner. Aber die ganze Familie hat mitgezogen. Sohn Johannes bleibt der Landwirtschaft treu und baut diese Form der Schweinehaltung weiter aus, Tochter Julia hilft im Social Media (Instagram, Facebook), Frau Maria managed den gut sortierten und umfangreichen Hofladen

Die Familienstrategie lautet: Step by Step. Julia erzählt mir, dass der Korte’sche Betrieb langsam aufgebaut wurde, um Risiken im Blick zu halten. Dem Anpacken von allen ist zu verdanken, dass sich der Hof Korte heute in eine feste regionale Instanz für gesundes, jodarmes und gentechnikfreies Schweinefleisch entwickelt hat. Genau wie in Heiner, kommen in seine Tiere vorrangig nur noch homöopathische Arzneimittel. 

Landwirte: Identität statt Anonymität

„Je besser ich meine Tiere halte, desto zufriedener kann ich auch meine Produkte anbieten.“ So das Credo von Heiner. Und diese Haltung will er zeigen, hat sieben Tage die Woche Publikumsverkehr auf seinem Hof. Heiner will Gesicht zeigen, und den Menschen erzählen, woher das Fleisch kommt. Die Industrie hat dafür gesorgt, dass Landwirte gesichtslos werden, Bauern wie Heiner bietet eine klare Wiedererkennung über die individuelle Herkunftsgeschichte: 

  „Wenn eine Metzgerei dasselbe Fleisch anbietet wie der Supermarkt, warum sollten die Kunden dahin gehen?“

Heiner

Genau das schätzen die Sauerlandgriller Steffi und Andy: „Leute – kauft Fleisch mit Bedacht!“ ist eine ihrer Botschaften. 

„Wir haben auch unsere Nachbarn und Freunde auf die Schiene gebracht: Mit Marinade kann ich so viel vertuschen! Daher schaut echt auf die Herkunft der Tiere und wie sie gelebt haben!“ 

Andy

Geschlachtet werden Heiners Schweine mit acht Monaten im Schlachthof von Jedowski (Unna). Er bringt sie selbst hin. Sobald es möglich ist, wird der Bauer auf Mobilschlachtung umsteigen. 

Grenze zwischen Nutztier und Haustier verschwimmt

Im Grunde könnten die Kortes vom Hofladen allein leben; doch liefert er darüber hinaus an zahlreiche Metzgereien und eine kleine Wurstfabrik. Seine Kunden lieben diesen Hof. Nicht zuletzt, weil die Grenze zwischen Nutz- und Haustier irgendwie verschwimmt: 

Schweine, die in Ställen mit Lavendelduft leben, einen Swimmingpool ihr Eigen nennen sowie eine reichhaltige und gesunde Futterauswahl haben. In dem einen Stall hören die Schweine morgens 1Live, abends WDR2. Der Ein oder Andere mag denken: „Ui, ist das eine Vermenschlichung!“ Aber benötigen wir nicht genau das?

Ja, zum Teil benötigen wir auch das. Denn nicht nur Landwirte haben ihre Identität verloren. Weit vorher geschah dies mit den „Nutz“-Tieren. Nicht obwohl, sondern weil sie später getötet und als Lebensmittel verwertet werden sollen, brauchen sie dringend ihre Identität zurück. Ohne dies, wird ihr wahrer Wert nicht erkenntlich werden können. 

Eine gute Strategie ist es hier, sie den Menschen „ähnlich“ wirken zu lassen. Warum glaubst du, würden hierzulande viele aufschreien, wenn es ein Hunde-Schnitzel gäbe? Der Hund –bester Freund des Menschen – in der eigenen Wohnung und bei manchem im Bett. Und bei Heiner schwimmen die Schweine eben und wohnen teils in netten Hütten. 

Heiner Korte will erreichen, dass Menschen „Nutz“-Tiere mit anderen Augen sehen. Uns gefällt sein individueller Weg. Zweifelsohne einer mehr, der die Landwirtschaft wirklich bunt und kreativ macht. 

Liebe Familie Korte: Vielen herzlichen Dank für Eure Gastfreundschaft und wahnsinnig tolle Eindrücke – mit dem Favoriten „Schweinebaden“!

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